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Impfschaden 
27.02.2024

LG Koblenz zu Schadensersatz- und Auskunftsansprüchen bei behaupteten Impfschäden

ESV-Redaktion Recht
Bei der Geltendmachung eines Impfschadens trifft den Anspruchsteller eine erweiterte Darlegungslast, sagt das LG Koblenz (Foto: HNFOTO ( stock.adobe.com)
Grundsätzlich muss der Hersteller eines Impfstoffes gegenüber geimpften Personen einstehen, wenn diese aufgrund des Impfstoffes gesundheitliche Schäden erleiden. Mit den Voraussetzungen hierfür und vor allem mit den Darlegungslasten der Anspruchsteller hat sich das LG Koblenz aktuell befasst.


In dem Streitfall ließ sich die Klägerin dreimal mit dem Impfstoff Comirnaty impfen, den die Beklagte herstellt. Comirnaty ist ein Impfstoff der ersten Generation gegen Corona.
 

Klägerin: Müdigkeit, Erschöpfung, Erbrechen und Lähmungen sind Folgen der Impfungen

Nach den Behauptungen der Klägerin leidet diese seit den Impfungen unter Müdigkeit, Erschöpfung, Erbrechen und Lähmungen. Weil sie diese Symptome auf die Comirnaty-Impfungen zurückführt, zog sie mit einer Klage vor das LG Koblenz und beantragte, die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 150.000 EUR zu verurteilen.
 
Darüber hinaus wollte sie gerichtlich feststellen lassen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle schon entstandenen und künftig entstehenden Schäden, die aus den Impfungen resultieren, zu ersetzen. Schließlich verlangte sie von der Beklagten zahlreiche Auskünfte nach § 84a AMG, die sich auf die Bestandteile, Tests und Auswirkungen Comirnaty beziehen.
 

Beklagter: Nutzen-Risiko-Verhältnis von Comirnaty ist positiv

Demgegenüber meint der beklagte Impfstoffhersteller, dass der Vortrag der Klägerin keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen den Impfungen der Klägerin und den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin enthält. Vor allem habe die Klägerin nicht hinreichend zu ihrem Gesundheitszustand vor den Impfungen vorgetragen. Schließlich meint die Beklagte, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Impfstoffs positiv wäre. Auch die Fach- und Gebrauchsinformationen entsprachen zu jeder Zeit dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft.
 
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LG Koblenz: Vortrag der Klägerin erfüllt Anforderungen an erweiterte Darlegungslast nicht

Die Klage hatte vor der 1. Zivilkammer des LG Koblenz keinen Erfolg. Demnach ist aus dem Vortrag der Klägerin kein Anspruch nach § 84 Absatz 1 AMG (siehe unten) herzuleiten. Die wesentlichen Erwägungen der Kammer:
 
  • AMG zwar anwendbar: Zwar ist das AMG laut Kammer anzuwenden, weil der streitgegenständliche Impfstoff ein Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes ist.
  • Aber – kein hinreichender Vortrag der Klägerin: Allerdings hat die Klägerin der Kammer zufolge nicht hinreichend dargelegt, dass die beschriebenen Symptome auf die benannten Impfungen zurückzuführen sind.
  • Erweiterte Darlegungslast: Im Arzneimittelhaftungsverfahren, so die Kammer weiter, hat der Anspruchsteller eine erweiterte Darlegungslast. Nach dieser muss er sämtliche Tatsachen vortragen, die im Einzelfall für und gegen eine Schadensverursachung sprechen. Hierzu gehören auch solche Informationen, die lediglich die Klägerin hat, wie etwa Angaben zu Risikofaktoren, zur Einnahme von anderen Arzneimitteln oder Angaben zu Grund- und Parallelerkrankungen.
  • Anforderungen an erweiterte Darlegungslast nicht erfüllt: Den benannten Darlegungspflichten ist die Klägerin nicht ausreichend und widerspruchsfrei nachgekommen, führt die Kammer hierzu weiter aus. So habe sie weder ihren Gesundheitszustand vor und nach der Impfung dargelegt, noch habe sie die Kausalität zwischen den Impfungen und ihren Gesundheitsschäden ausreichend beschrieben. Vielmehr, so die Kammer weiter, ergebe sich aus den fragmentarischen Unterlagen der Klägerin, dass sie einige Beschwerden teilweise schon vor der Impfung hatte.
  • Auch Auskunftsanspruch nicht gegeben: Aus den gleichen Gründen sah die Kammer auch den von der Klägerin begehrten Auskunftsanspruch nach § 84a AMG nicht. Denn auch für einen solchen hätte die Klägerin Tatsachen vortragen müssen, die die Annahme begründen können, dass der Impfstoff einen Schaden im Sinne von § 84 Absatz 1 AMG verursacht hat. 
Ob der Impfstoff  Comirnaty ein negatives oder positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist, brauchte die Kammer aus ihrer Sicht nicht mehr zu entscheiden. Gleiches gilt für die Fragen, ob ein Informationsfehler nach § 84 Absatz 1 AMG vorliegt, oder ob eine Vorlage an den EuGH notwendig gewesen wäre. Ebenso hat die Kammer weitere mögliche Anspruchsgrundlagen aufgrund der nicht substantiierten Darlegung eines kausalen Schadens verneint.  
 
Quelle: PM des LG Koblenz  vom 23.02.2024 zum Urteil vom 18.01.2024 – 1 O 258/22
 

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Im Wortlaut:  § 84a AMG – Auskunftsanspruch 
(1) 1 Liegen Tatschen vor, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, so kann der Geschädigte von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 besteht, nicht erforderlich. 2 Der Anspruch richtet sich auf dem pharmazeutischen Unternehmer bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie ihm bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können. 3 Die §§ 259 bis 261 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. 4 Ein Auskunftsanspruch besteht insoweit nicht, als die Angaben auf Grund gesetzlicher Vorschriften geheim zu halten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des pharmazeutischen Unternehmers oder eines Dritten entspricht.

(2) 1 Ein Auskunftsanspruch besteht unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch gegenüber den Behörden, die für die Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln zuständig sind. 2 Die Behörde ist zur Erteilung der Auskunft nicht verpflichtet, soweit Angaben auf Grund gesetzlicher Vorschriften geheim zu halten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des pharmazeutischen Unternehmers oder eines Dritten entspricht. 3 Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz bleiben unberührt.

 
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(ESV/bp)