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Entgeltfortzahlung und Corona 
21.03.2024

BAG zum Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Corona-Infektion ohne Symptome

ESV-Redaktion Recht
BAG: Dem Kläger war es auf des positiven Corona-Tests rechtlich nicht möglich, seine Arbeitsleistung zu erbringen (Foto: hphotos / stock.adobe.com)
Kann eine Infektion mit Corona auch dann, wenn sich keine Symptome zeigen, eine Krankheit im Sinne von § 3 Absatz 1 EFZG sein, die eine Arbeitsunfähigkeit begründet? Und welche Rolle spielt hierbei das Unterlassen einer Schutzimpfung? Zu diesen Fragen hat sich das BAG aktuell geäußert.


Kläger in dem Streitfall war ein ungeimpfter Produktionsmitarbeiter eines Unternehmens in der kunststoffverarbeitenden Industrie. Am 26.12.2021 wurde er positiv auf Corona getestet. In der Zeit vom 27.12.201 bis zum 31.12.2021 litt er unter Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen und er wurde ärztliche arbeitsunfähig krankgeschrieben. Für den obigen Zeitraum leistete die Beklagten Entgeltfortzahlung.
 
Am 29.12.2021 ordnete die zuständige Gemeinde, für den Kläger eine Isolierung häuslicher Umgebung bis zum 12.01.2022 an. Für den Zeitraum vom 03.01.2022 bis einschließlich den 12.01.2022 erteilte sein Arzt keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) mehr. Nach seiner Auffassung reichten das positive Testergebnis und die Absonderungsanordnung zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit aus.
 
Für den Monat Januar 2022 zog die Beklagte dann den Lohn für die Zeit der Quarantäne ab, was einen Bruttobetrag von etwa 1.000 Euro ausmachte.
 
Daraufhin klagte er diesen Betrag erfolglos vor dem Arbeitsgericht ein. Demgegenüber änderte die Berufungsinstanz – LAG Hamm mit Urteil vom 24.08.2023 – 15 Sa 1033/22 – das erstinstanzliche Urteil ab und verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung. Gegen die Entscheidung des LAG zog der Kläger mit einer Revision vor das BAG.

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BAG: Infektion mit Corona ist letzlich die Ursache für Absonderungsanordnung und die Arbeitsunfähigkeit

Der Fünfte Senat des BAG schloss sich der Auffassung der Berufungsinstanz an. Demzufolge hatte das LAG zutreffend erkannt, dass der Kläger aufgrund der Corona-Infektion arbeitsunfähig war. Also  konnte er seine Arbeitsleistung nicht erbringen – und zwar unabhängig von der Frage, ob er noch durchgehend Corona-Symptome hatte. Die tragenden Erwägungen des BAG:
 
  • Corona ist eine Krankheit: Ein Corona-Infektion hat einen regelwidrigen Körperzustand zur Folge und ist somit eine Krankheit, die zur Arbeitsunfähigkeit führt.
  • Monokausalität: Zwar ist die Quarantäneverfügung keine eigenständige Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Allerdings beruht diese  mit dem daraus resultierenden Tätigkeitsverbot gerade auf der Infektion in Form einer Monokausalität. Die Infektion setzte also eine nicht hinwegzudenke Ursache für die Absonderungsanordnung. Daher war es dem Kläger auf der Corona-Infektion nach § 275 Absatz 1 BGB rechtlich nicht möglich, seine Arbeitsleistung zu erbringen.
  • Unterlassen einer Schutzimpfung unerheblich:  Die Annahme des LAG, nach der nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, dass das Unterbleiben der empfohlenen Schutzimpfung für die Corona-Infektion ursächlich war, beanstandete BAG nicht. Zwar sah die Vorinstanz zugunsten der Beklagten in dem Unterbleiben der Schutzimpfung einen Verstoß gegen das Verhalten eines verständigen Menschen im Sinne von § 3 Absatz 1 Satz 1 EntgFG. Jedoch hat das LAG auch die Gefahr von Impfdurchbrüchen in die Kausalitätsprüfung einbezogen. Demnach erlaubten die Bewertungen der Impfeffektivität durch das RKI – anhand der wöchentlichen Lageberichte Ende Dezember 2021/Anfang Januar 2022 – nicht den Schluss, dass eine Impfung die Corona-Infektion verhindert hätte.
  • Quarantäne-Verfügung steht AU-Bescheinigung gleich: Damit hatte die Beklagte kein Leistungsverweigerungsrecht wegen unterlassener Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Vielmehr hatte der Kläger der Beklagten durch Vorlegen der Quarantäne-Verfügung in anderer, geeigneter Weise nachgewiesen, dass er seine Arbeitsleistung aufgrund Corona objektiv nicht erbringen konnte.
Abschließend wies der Senat darauf hin, dass er im Verfahren 5 AZR 235/23 der Revision der Klägerin stattgegeben hatte. Dort stellten sich ähnliche Rechtsfragen und die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.
 
Quelle: PM des BAG vom 20.03.2024 zum Urteil vom selben Tag – 5 AZR 234/23


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(ESV/bp)