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SGB VII C 620
Empfehlung (EU) 2022/2337 der Kommission vom 28. November 2022
über die Europäische Liste der Berufskrankheiten
Amtsblatt der Europäischen Union L 309/12 vom 30.11.20221
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION –
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292,
in Erwägung nachstehender Gründe:
…
gibt folgende Empfehlung ab:
Artikel 1
Den Mitgliedstaaten wird, unbeschadet günstigerer einzelstaatlicher Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, empfohlen,
- 1. die Europäische Liste in Anhang I möglichst unverzüglich in ihre Rechts- oder Verwaltungsvorschriften über die Erkrankungen zu übernehmen, deren berufliche Verursachung auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse anerkannt wird und die zur Entschädigung berechtigen und Präventivmaßnahmen erforderlich machen;
- 2. sich zu bemühen, zugunsten von Arbeitnehmern, die an einer Krankheit leiden, die nicht in Anhang I aufgeführt ist, deren berufliche Verursachung und Berufsbezogenheit jedoch nachgewiesen werden können, einen Anspruch auf Entschädigung wie im Fall der Berufskrankheiten in ihre Rechts- oder Verwaltungsvorschriften aufzunehmen, insbesondere wenn die betreffende Erkrankung in Anhang II genannt ist;
- 3. unter aktiver Beteiligung aller betroffenen Akteure wirksame Präventivmaßnahmen zu den in der Liste im Anhang I aufgeführten Krankheiten zu entwickeln und zu verbessern, wobei sie sich gegebenenfalls den Austausch von Informationen, Erfahrungen und Beispielen guter Praxis über die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zunutze machen;
- 4. quantifizierte nationale Ziele zu beschließen, um die Rate der anerkannten Berufskrankheiten zu senken, vorrangig derjenigen, die in der Europäischen Liste im Anhang I aufgeführt sind;
- 5. für die Meldung aller Fälle von Berufskrankheiten zu sorgen und ihre Statistiken über Berufskrankheiten schrittweise, entsprechend den laufenden Arbeiten am System zur Harmonisierung der europäischen Statistiken über Berufskrankheiten, mit der europäischen Liste im Anhang I in Übereinstimmung zu bringen, sodass für jeden Berufskrankheitsfall Angaben über den auslösenden Schadstoff oder Kausalfaktor, über die ärztliche Diagnose und über das Geschlecht des Patienten vorliegen;
- 6. ein System zur Erfassung von Informationen und Daten über die Epidemiologie der in Anhang II aufgeführten oder sonstiger berufsbezogener Krankheiten einzuführen;
- 7. die Forschung im Bereich der berufsbedingten Erkrankungen zu fördern, insbesondere der in Anhang II genannten sowie der berufsbedingten Gesundheitsstörungen psychosozialer Art;
- 8. für eine umfassende Verbreitung der in ihren innerstaatlichen Listen enthaltenen Diagnosehilfen für Berufskrankheiten zu sorgen und dabei insbesondere die von der Kommission herausgegebenen „Information notices on diagnosis of occupational diseases“ zu berücksichtigen;
- 9. die statistischen und epidemiologischen Daten über die auf einzelstaatlicher Ebene anerkannten Berufskrankheiten der Kommission mitzuteilen und den interessierten Kreisen insbesondere über das Informationsnetz der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zugänglich zu machen;
- 10. die aktive Beteiligung der einzelstaatlichen Gesundheitssysteme an der Prävention von Berufskrankheiten zu fördern, insbesondere durch eine stärkere Sensibilisierung des medizinischen Personals, um die Kenntnisse über diese Krankheiten und ihre Diagnose zu verbessern.
Artikel 2
Die Mitgliedstaaten legen selbst die Kriterien für die Anerkennung jeder einzelnen Berufskrankheit gemäß ihren Rechtsvorschriften oder den nationalen Gepflogenheiten fest.
Artikel 3
Die vorliegende Empfehlung ersetzt die Empfehlung 2003/670/EG.
Artikel 4
Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die Kommission bis spätestens 31. Dezember 2023 über die Maßnahmen zu unterrichten, die sie mit Blick auf den neuen Eintrag Nr. 408 dieser Empfehlung ergriffen haben und zu ergreifen beabsichtigen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die Kommission über jegliche neuen Maßnahmen zur Durchführung dieser Empfehlung zu unterrichten.
Liste der Berufskrankheiten
Anhang I Europäische Liste der Berufskrankheiten
Die in dieser Liste aufgeführten Krankheiten müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit der ausgeübten Berufstätigkeit stehen. Die Kommission wird zu jeder der unten genannten Berufskrankheiten Kriterien für die Anerkennung festlegen.
1. | Durch folgende chemische Arbeitsstoffe ausgelöste Berufskrankheiten |
100 | Acrylnitril |
101 | Arsen oder seine Verbindungen |
102 | Beryllium (Glucinium) oder seine Verbindungen |
103.01 | Kohlenoxid |
103.02 | Kohlenoxidchlorid |
104.01 | Blausäure |
104.02 | Cyanide und ihre Verbindungen |
104.03 | Isocyanate |
105 | Cadmium oder seine Verbindungen |
106 | Chrom oder seine Verbindungen |
107 | Quecksilber oder seine Verbindungen |
108 | Mangan oder seine Verbindungen |
109.01 | Salpetersäure |
109.02 | Stickstoffoxide |
109.03 | Ammoniak |
110 | Nickel oder seine Verbindungen |
111 | Phosphor oder seine Verbindungen |
112 | Blei oder seine Verbindungen |
113.01 | Schwefeloxide |
113.02 | Schwefelsäure |
113.03 | Schwefelkohlenstoff |
114 | Vanadium oder seine Verbindungen |
115.01 | Chlor |
115.02 | Brom |
115.04 | Iod |
115.05 | Fluor oder seine Verbindungen |
116 | Aliphatische oder alicyclische Kohlenwasserstoffe als Bestandteile von Petrolether und von Benzin |
117 | Halogenierte Derivate der aliphatischen oder alicyclischen Kohlenwasserstoffe |
118 | Butyl-, Methyl- und Isopropylalkohol |
119 | Ethylenglykol, Diethylenglykol, 1,4-Butandiol sowie nitrierte Glykol- und Glycerinderivate |
120 | Methylether, Ethylether, Isopropylether, Vinylether, Dichlorisopropylether, Guajakol, Ethylenglykol-Methylether und -Ethylether |
121 | Aceton, Chloraceton, Bromaceton, Hexafluoraceton, Methylethylketon, Methyl-n-Butylketon, Methylisobutylketon, Diacetonalkohol, Mesityloxid, 2-Methylcyclohexanon |
122 | Phosphororganische Ester |
123 | Organische Säuren |
124 | Formaldehyd |
125 | Aliphatische Nitroderivate |
126.01 | Benzol oder seine Homologe (die Benzolhomologe sind durch die Formel CnH2n.6 definiert) |
126.02 | Naphthalin oder seine Homologe (das Naphthalinhomolog ist durch die Formel CnH2n.12 definiert) |
126.03 | Vinylbenzol und Divinylbenzol |
127 | Halogenierte Derivate der aromatischen Kohlenwasserstoffe |
128.01 | Phenole oder ihre Homologe oder ihre halogenierten Derivate |
128.02 | Naphthole oder ihre Homologe oder ihre halogenierten Derivate |
128.03 | Halogenierte Derivate der Alkylaryloxide |
128.04 | Halogenierte Derivate der Alkylarylsulfide |
128.05 | Benzochinone |
129.01 | Aromatische Amine oder aromatische Hydrazine oder ihre halogenierten, phenolischen, nitrosierten, nitrierten oder sulfonierten Derivate |
129.02 | Aliphatische Amine und ihre halogenierten Derivate |
130.01 | Nitroderivate der aromatischen Kohlenwasserstoffe |
130.02 | Nitroderivate der Phenole oder ihrer Homologe |
131 | Antimon und seine Derivate |
132 | Ester der Salpetersäure |
133 | Schwefelwasserstoff |
135 | Anderweitig nicht erfasste, durch organische Lösungsmittel ausgelöste Enzephalopathien |
136 | Anderweitig nicht erfasste, durch organische Lösungsmittel ausgelöste Polyneuropathien |
2. | Hautkrankheiten durch anderweitig nicht erfasste Substanzen und Arbeitsstoffe |
201 | Hautkrankheiten und Hautkarzinome durch: |
201.01 | Ruß |
201.03 | Teer |
201.02 | Asphalt |
201.04 | Teerpech |
201.05 | Anthrazen oder seine Verbindungen |
201.06 | Mineralöle und -fette |
201.07 | Rohparaffin |
201.08 | Karbazol oder seine Verbindungen |
201.09 | Nebenprodukte der Steinkohlendestillation |
202 | Hauterkrankungen durch berufliche Exposition gegenüber nach wissenschaftlichen Erkenntnissen allergisierenden oder irritativ wirkenden Stoffen, die anderweitig nicht erfasst sind |
3. | Durch Einatmen von anderweitig nicht erfassten Substanzen und Arbeitsstoffen verursachte Krankheiten |
301 | Krankheiten des Atemapparats und Karzinome |
301.11 | Silikose |
301.12 | Silikose in Verbindung mit Lungentuberkulose |
301.21 | Asbestose |
301.22 | Durch Einatmen von Asbeststäuben verursachtes Mesotheliom |
301.31 | Durch Silikatstäube verursachte Pneumokoniosen |
302 | Komplikation der Asbestose durch Bronchialkarzinom |
303 | Bronchopulmonale Erkrankungen durch Sintermetallstäube |
304.01 | Durch äußere Einwirkungen verursachte allergische Alveolitiden |
304.02 | Lungenerkrankungen durch Einatmen von Baumwoll-, Leinen-, Hanf-, Jute-, Sisal- und Bagassestäuben und -fasern |
304.04 | Erkrankungen der Atemwege durch Einatmen von Kobalt-, Zinn-, Barium- und Graphitstäuben |
304.05 | Siderose |
305.01 | Durch Holzstäube verursachte Krebserkrankungen der oberen Atemwege |
304.06 | Durch Einatmen allergener Stoffe ausgelöstes allergisches Asthma, sofern die Stoffe jeweils als allergen anerkannt sind und mit der Art der Arbeit zusammenhängen |
304.07 | Durch Einatmen allergener Stoffe ausgelöste allergische Rhinitis, sofern die Stoffe jeweils als allergen anerkannt sind und mit der Art der Arbeit zusammenhängen |
306 | Durch Asbest ausgelöste fibrosierende Erkrankungen der Pleura mit Einschränkung der Atemfunktion |
307 | Chronisch-obstruktive Bronchitis oder Emphysem der Steinkohlenbergleute |
308 | Durch Einatmen von Asbeststäuben verursachtes Bronchialkarzinom |
309 | Bronchopulmonale Erkrankungen durch Stäube oder Rauche, die Aluminium oder seine Verbindungen enthalten |
310 | Bronchopulmonale Erkrankungen durch Thomasmehl |
4. | Durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten |
401 | Durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten, die von Tieren oder tierischem Material auf den Menschen übertragen werden |
402 | Tetanus |
403 | Brucellose |
404 | Virushepatitis |
405 | Tuberkulose |
406 | Amöbiasis |
407 | Sonstige Infektionskrankheiten bei Beschäftigten der Bereiche Gesundheitsvorsorge, Krankenpflege, häusliche Betreuung, Labortätigkeit oder vergleichbarer Bereiche, in denen nachweislich Infektionsgefahr besteht |
408 | COVID-19, verursacht durch Arbeiten im Bereich der Krankheitsvorbeugung, des Gesundheits- und Sozialwesens und der häuslichen Betreuung oder im Rahmen einer Pandemie, in Sektoren, in denen ein Ausbruch verzeichnet wird, bei Tätigkeiten, bei denen ein Infektionsrisiko nachgewiesen wurde |
5. | Durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten |
502.01 | Grauer Star durch Wärmestrahlung |
502.02 | Erkrankungen der Bindehaut aufgrund der Exposition gegenüber ultravioletten Strahlen |
503 | Durch schädigenden Lärm verursachte Schwerhörigkeit oder Taubheit |
504 | Erkrankungen durch Zu- oder Abnahme des Luftdrucks |
505.01 | Durch mechanische Schwingungen verursachte osteoartikuläre Erkrankungen der Hand einschließlich des Handgelenks |
505.02 | Durch mechanische Schwingungen verursachte Angioneurosen |
506.10 | Durch Druck verursachte Erkrankungen der Schleimbeutel |
506.11 | Bursitis im Kniebereich |
506.12 | Bursitis im Ellenbogenbereich |
506.13 | Bursitis im Schulterbereich |
506.21 | Erkrankungen durch Überlastung der Sehnenscheiden |
506.22 | Erkrankungen durch Überlastung des Sehnengleitgewebes |
506.23 | Erkrankungen durch Überlastung der Sehnen- und Muskelansätze |
506.30 | Meniskusschäden nach länger andauernder Tätigkeit in kniender oder hockender Stellung |
506.40 | Drucklähmungen der Nerven |
506.45 | Karpaltunnelsyndrom |
507 | Augenzittern der Bergleute |
508 | Erkrankungen durch ionisierende Strahlen |
Anhang II Ergänzende Liste von Krankheiten, deren berufliche Verursachung vermutet wird, die gemeldet werden sollten und deren spätere Aufnahme in Anhang I der Europäischen Liste ins Auge gefasst werden könnte
2.1 | Krankheiten, die durch folgende chemische Arbeitsstoffe verursacht sind |
2.101 | Ozon |
2.102 | Aliphatische Kohlenwasserstoffe, sofern nicht unter Anhang I Position 1.116 erfasst |
2.103 | Diphenyl |
2.104 | Dekalin |
2.105 | Aromatische Säuren – aromatische Anhydride und ihre halogenierten Derivate |
2.106 | Diphenyloxid |
2.107 | Tetrahydrofuran |
2.108 | Thiophen |
2.109 | Methacrylnitril |
2.110 | Acetonitril |
2.111 | Thioalkohole |
2.112 | Mercaptane und Thioether |
2.113 | Thallium oder seine Verbindungen |
2.114 | Alkohole oder ihre halogenierten Derivate, sofern nicht unter Anhang I Position 1.118 erfasst |
2.115 | Glykole oder ihre halogenierten Derivate, sofern nicht unter Anhang I Position 1.119 erfasst |
2.116 | Ether oder ihre halogenierten Derivate, sofern nicht unter Anhang I Position 1.120 erfasst |
2.117 | Ketone oder ihre halogenierten Derivate, sofern nicht unter Anhang I Position 1.121 erfasst |
2.118 | Ester oder ihre halogenierten Derivate, sofern nicht unter Anhang I Position 1.122 erfasst |
2.119 | Furfurol |
2.120 | Thiophenole oder Homologe oder ihre halogenierten Derivate |
2.121 | Silber |
2.122 | Selen |
2.123 | Kupfer |
2.124 | Zink |
2.125 | Magnesium |
2.126 | Platin |
2.127 | Tantal |
2.128 | Titan |
2.129 | Terpene |
2.130 | Borane |
2.140 | Erkrankungen durch Einatmen von Perlmuttstaub |
2.141 | Erkrankungen durch Hormonstoffe |
2.150 | Zahnkaries bei Beschäftigten der Schokoladen-, Süßwaren- und Mehlindustrie |
2.160 | Siliciumoxid |
2.170 | Anderweitig nicht erfasste polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe |
2.190 | Dimethylformamid |
2.2 | Hautkrankheiten durch anderweitig nicht erfasste Substanzen und Arbeitsstoffe |
2.201 | Allergische und normegische Hauterkrankungen, die nicht in Anhang I genannt sind |
2.3 | Krankheiten durch Einatmen von anderweitig nicht erfassten Stoffen |
2.301 | Lungenfibrosen durch in der Europäischen Liste nicht erfasste Metalle |
2.303 | Bronchopulmonale Erkrankungen und Bronchialkarzinome nach Exposition gegenüber: |
– Ruß | |
– Teer | |
– Asphalt | |
– Teerpech | |
– Anthrazen oder seinen Verbindungen | |
– Mineralölen und -fetten | |
2.304 | Bronchopulmonale Erkrankungen durch künstliche Mineralfasern |
2.305 | Bronchopulmonale Erkrankungen durch synthetische Fasern |
2.307 | Erkrankungen der Atemwege, ausgelöst durch nicht im Anhang I erfasste Reizstoffe |
2.308 | Larynxkarzinom nach Einatmen von Asbeststaub |
2.4 | Durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten, die in Anhang I nicht erfasst sind |
2.401 | Durch Parasiten verursachte Krankheiten |
2.402 | Tropenkrankheiten |
2.5 | Durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten |
2.501 | Abrissbrüche der Wirbeldornfortsätze durch Überlastung |
2.502 | Bandscheibenschäden der Lendenwirbelsäule durch wiederholte vertikal wirkende Ganzkörper-Schwingungsbelastung |
2.503 | Stimmbandknötchen durch anhaltende berufsbedingte Beanspruchung der Stimme |
1 Zu dieser Empfehlung vgl. K § 9 Rz 291.