SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe vorherige Versionen anzeigen

SGB VIII C 157

Gesetz zur Förderung und Entwicklung der Kinder- und Jugendarbeit,
der Jugendsozialarbeit, des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes,
der Freistellung ehrenamtlicher Mitarbeiter und der Fortbildung
hauptberuflicher Fachkräfte und Mitarbeiter
(Kinder- und Jugendförderungsgesetz – KJfG M-V)
– Drittes Landesausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz –

Vom 7. Juli 1997 (GVOBl. M-V S. 287),
geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2005 (GVOBl. S. 640)

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1  Regelungsbereich

(1)  Dieses Gesetz ist Landesausführungsgesetz gemäß § 15 Achtes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. März 1996 (BGBl. I S. 477).

(2)  Zu dem Regelungsbereich nach Absatz 1 regelt dieses Gesetz Inhalt und Umfang der Freistellung ehrenamtlicher Mitarbeiter und der Fortbildung hauptberuflicher Fachkräfte im Aufgabenbereich der §§ 11 bis 14 Achtes Buch Sozialgesetzbuch.

§ 2  Kinder- und Jugendarbeit

(1)  Die Kinder- und Jugendarbeit wendet sich als eigenständiger Bereich der Jugendhilfe mit ihren Angeboten an alle jungen Menschen. Sie soll insbesondere die jungen Menschen zur Eigeninitiative, Kritikfähigkeit, Kreativität und zum Engagement für Solidarität, Demokratie, Frieden, Gewaltfreiheit, Völkerverständigung, Bewahrung der Umwelt und das gleichberechtigte Miteinander von Frauen und Männern sowie zum Respekt vor religiösen Überzeugungen und zu weltanschaulicher Toleranz befähigen. Kinder und Jugendarbeit soll durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen, von Inhalten, Arbeitsformen und Methoden wirken. Darüber hinaus bietet sie Angebote zur Verhinderung von diskriminierenden Verhaltensweisen.

(2)  Kinder- und Jugendarbeit hat durch geeignete Maßnahmen dazu beizutragen, junge Menschen mit den politischen, sozialen und kulturellen Aspekten der Europäischen Idee sowie der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Ostseeraum und der mecklenburgischen und vorpommerschen Heimat und Kultur vertraut zu machen.

(3)  Kinder- und Jugendarbeit gründet auf der freiwilligen Mitarbeit junger Menschen und findet statt in Veranstaltungen, Diensten und Einrichtungen von Jugendverbänden, Gruppen und Initiativen sowie deren Zusammenschlüssen und anderen Trägern der Kinder- und Jugendarbeit. Sie soll durch ihre Programme und Veranstaltungen mit dazu beitragen, soziale Benachteiligungen einzelner und ganzer Gruppen junger Menschen zur Sprache zu bringen und zu überwinden, um ihnen dadurch gleiche Entwicklungs- und Entfaltungschancen zu gewährleisten.

(4)  Zu den Schwerpunkten der Kinder- und Jugendarbeit gehören

  • 1.  außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung,
  • 2.  Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit,
  • 3.  arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit,
  • 4.  internationale Jugendarbeit,
  • 5.  Kinder- und Jugenderholung sowie Angebote der Feriengestaltung,
  • 6.  Jugendberatung,
  • 7.  aufsuchende und zielgruppenorientierte Jugendarbeit,
  • 8.  die Bereitstellung besonderer Angebote für Kinder.

Kinder- und Jugendarbeit ist für die Entwicklung neuer Aufgabenbereiche offen.

§ 3  Jugendsozialarbeit

(1)  Jugendsozialarbeit im Sinne des § 13 Abs. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch findet insbesondere statt als offenes, vorbeugendes und aktuelles Angebot durch Beratung, als sozialpädagogische Hilfe, als aufsuchende Sozialarbeit, in Einrichtungen und Kursen sowie durch therapeutische und sonstige Dienste.

(2)  Jungen Menschen, deren Zugang zu schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder zu Beschäftigungsmaßnahmen nicht anderweitig sichergestellt ist, können neben sozialpädagogisch begleiteten Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch auch flankierende pädagogische Hilfen angeboten werden. Flankierende pädagogische Hilfen sind insbesondere Bildungsveranstaltungen und Beratungsangebote sowie sozialpädagogische Begleitung im Rahmen der schulbezogenen Jugendsozialarbeit.

(3)  Die eigenständigen Hilfen der Jugendsozialarbeit nach § 13 Abs. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch werden insbesondere in Einzelwohnungen, Wohngemeinschaften und in Jugendwohnheimen sowie in Verbindung von Arbeiten und Wohnen eingerichtet. Die sozialpädagogische Begleitung soll die jungen Menschen zu einer selbständigen Lebensgestaltung befähigen. Sie unterstützt insbesondere schulische und berufsbildende Maßnahmen sowie Angebote der Eingliederung in die Arbeitswelt.

§ 4  Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz

Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz dient der Vermeidung von Gefahren für junge Menschen. Er umfaßt den Schutz junger Menschen vor gefährdenden Einflüssen, Stoffen und Handlungen. Das Land, die kommunalen Körperschaften, insbesondere die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe, die Einrichtungen des öffentlichen Schulwesens, die Behörden und Dienststellen der Justiz und der Polizei sowie die Ordnungsbehörden haben zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor gefährdenden Einflüssen, Stoffen und Handlungen zusammenzuwirken. Die genannten Stellen entwickeln pädagogische Angebote und treffen notwendige Maßnahmen, um Kinder, Jugendliche und Erziehungsberechtigte über Gefahren und damit verbundene Folgen rechtzeitig und in geeigneter Weise zu informieren und zu beraten. Dazu gehört auch die Fortbildung von Fachkräften und Mitarbeitern der Jugendhilfe.

§ 5  Beratung für junge Menschen

Junge Menschen haben das Recht, sich in allen Fragen der Erziehung und Entwicklung, insbesondere in Angelegenheiten der Bildungs-, Wohn- und Fördermöglichkeiten sowie der Konfliktbewältigung an den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu wenden. Soweit geeignete Beratungsdienste freier Träger vorhanden sind, sollen die öffentlichen Jugendhilfeträger von eigenen Beratungsangeboten absehen.

§ 6  Umfang der Jugendförderung

(1)  Träger im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 Achtes Buch Sozialgesetzbuch werden vom Land im Rahmen eines Landesjugendplanes gefördert. Zu der Förderung nach Satz 1 erhalten die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Erfüllung der Aufgaben nach den §§ 2 bis 5 nach diesem Gesetz und § 74 Abs. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch eine zusätzliche Förderung aus Landesmitteln.

(2)  Die Förderung nach Absatz 1 Satz 2 soll durch die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe angemessen ergänzt werden. Die Zusammensetzung und die Höhe der Anteile nach Satz 1 wird in Form von Vereinbarungen zwischen der obersten Landesjugendbehörde und den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe mit einer Laufzeit von nicht unter drei Jahren bestimmt. Sollte es im Einzelfall zu keiner Vereinbarung kommen, entfällt die entsprechende Landesförderung nach Absatz 1 Satz 2 und wird Bestandteil des Landesjugendplanes.

(3)  Die Höhe und Zusammensetzung der Landesförderung nach Absatz 1 werden als Mindestbetrag pro Kopf der in den Gebieten der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe lebenden zehn bis 26jährigen Einwohner durch Landesverordnung bestimmt. Die Zahl der zehn- bis 26jährigen Einwohner wird jährlich auf Grundlage der Erhebungen des Statistischen Amtes durch die oberste Landesjugendbehörde festgelegt.

§ 7  Ehrenamtliche Tätigkeit und Weiterbildung

Ehrenamtlich in den Aufgabenbereichen der §§ 2 bis 5 Tätige sind durch die Träger der Jugendhilfe zu beraten, fachlich anzuleiten und weiterzubilden. Die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen und die dadurch erworbenen fachlichen Befähigungen sind zu bescheinigen.

§ 8  Ehrenamtliche Tätigkeit und Freistellung

(1)  Ehrenamtlich in den Aufgabenbereichen der §§ 2 bis 5 tätigen Personen ab 16 Jahren ist für die pädagogische Leitung oder Begleitung von

  • 1.  Ferienlagern,
  • 2.  Jugendfreizeiten,
  • 3.  internationalen Jugendbegegnungen und
  • 4.  Kinderbetreuung bei Familienfreizeiten

sowie für Seminare der Jugendbildung und für Aus- und Fortbildungslehrgänge (Gruppenleiterschulungen) mit einer Dauer von mehr als zwei Tagen auf Antrag bezahlte Freistellung bis zu fünf Werktagen pro Kalenderjahr zu gewähren. Die Freistellung nach Satz 1 ist nicht auf das nächste Jahr übertragbar, sie ist erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses möglich. Der Anspruch auf Freistellung besteht nicht, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Gleiches gilt, wenn Tarifvereinbarungen oder öffentliches Dienstrecht eigene Regelungen hierzu treffen.

(2)  Im Falle der Freistellung nach Absatz 1 Satz 1 wird dem privaten Arbeitgeber das für die Dauer der Freistellung gezahlte Arbeitsentgelt im Rahmen der für diesen Zweck bereitgestellten Haushaltsmittel des Landes erstattet.

(3)  Die Ansprüche auf Freistellung nach Absatz 1 Satz 1 und Arbeitsentgelterstattung entfallen, wenn die für diesen Zweck bereitgestellten Haushaltsmittel des Landes verausgabt sind oder nicht mehr in beantragtem Maße zur Verfügung stehen.

(4)  Personalkostenbezogene Leistungen nach anderen Gesetzen und Vorschriften werden auf die Erstattung nach Absatz 2 in voller Höhe angerechnet und dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz Erstattungsleistungen grundsätzlich vorgesehen sind.

(5)  Weitergehende betriebliche oder vertragliche Regelungen bleiben durch dieses Gesetz unberührt. Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Näheres über die

  • 1.  Voraussetzungen und das Verfahren der Freistellung nach Absatz 1,
  • 2.  Gesamthöhe der zu diesem Zweck bereitzustellenden Landesmittel und
  • 3.  Voraussetzungen, das Verfahren und den Umfang der Arbeitsentgelterstattung

zu regeln.

§ 9  Fortbildung und Freistellung der hauptberuflichen Fachkräfte und Mitarbeiter

(1)  Die Träger der Jugendhilfe sollen für die Aufgabenbereiche der §§ 2 bis 5 Fachkräfte beschäftigen oder beauftragen, die sich für ihre jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen und eine dieser Aufgabe entsprechende Ausbildung erhalten haben. Zudem können auch Mitarbeiter beschäftigt oder beauftragt werden, die aufgrund besonderer Erfahrungen und pädagogischer Befähigungen in der sozialen Arbeit in der Lage sind, entsprechende Aufgaben zu erfüllen.

(2)  Hauptberufliche Fachkräfte und Mitarbeiter nach Absatz 1 sind auf Antrag von ihren Trägern für Fortbildungen und Zusatzqualifizierungen fünf Werktage im Kalenderjahr freizustellen. Weitergehende betriebliche oder vertragliche Regelungen bleiben hiervon unberührt. Ein Anspruch auf Freistellung nach Satz 1 besteht nicht, wenn Tarifvereinbarungen oder das öffentliche Dienstrecht eigene Regelungen hierzu treffen. Eine Kostenbeteiligung der Teilnehmer an diesen Bildungsmaßnahmen soll pro Fortbildung 20 vom Hundert der Gesamtkosten nicht überschreiten.

§ 10  Verfahrensvorschriften

Die oberste Landesjugendbehörde erläßt die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften im Einvernehmen mit dem Finanzministerium.

§ 11  Inkrafttreten

Das Gesetz tritt zugleich mit dem Haushaltsgesetz 1998 in Kraft.

 

 




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