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SGB XII C 350
Thüringer Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
(ThürAGSGB XII)
Vom 17. Dezember 20041 (GVBl. 2004, 891),
zuletzt geändert durch Gesetz
vom 23. November 2017 (GVBl. S. 254)
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Erster Abschnitt
Träger der Sozialhilfe und ihre Aufgaben
§ 1 Örtliche Träger der Sozialhilfe
(1) Örtliche Träger der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022–3023) in der jeweils geltenden Fassung sind die Landkreise und kreisfreien Städte. Sie führen die Sozialhilfe als Selbstverwaltungsaufgabe aus, soweit nicht in Absatz 2 etwas Abweichendes bestimmt ist.
(2) Soweit Geldleistungen erbracht werden, wird das Vierte Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Bundesauftragsverwaltung ausgeführt. Die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe nehmen diese Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis wahr.
§ 1a Aufsicht über die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
(1) Soweit die örtlichen Träger der Sozialhilfe Aufgaben nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch im übertragenen Wirkungskreis durchführen, wird die Rechts- und Fachaufsicht über sie vom Landesverwaltungsamt ausgeübt; das Landesverwaltungsamt untersteht insoweit der Fachaufsicht des für Sozialhilfe zuständigen Ministeriums.
(2) Die aufsichtführende Behörde kann den örtlichen Trägern der Sozialhilfe Weisungen erteilen, um die gesetzmäßige und zweckmäßige Erfüllung der Aufgaben zu sichern. Das Weisungsrecht erstreckt sich auch auf
- 1. die Prüfung, dass die Ausgaben für Geldleistungen für die Ausführung des Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch begründet und belegt sind und den Grundsätzen für Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen, und
- 2. die Ermöglichung des Abrufs der Bundeserstattung nach § 46a Abs. 3 SGB XII und den Nachweis der Ausgaben im Sinne des § 46a Abs. 4 und 5 SGB XII.
(3) Das für Sozialhilferecht zuständige Ministerium unterstützt die örtlichen Träger der Sozialhilfe bei der Durchführung ihrer Aufgaben. § 7 SGB XII gilt auch für das Vierte Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.
§ 2 Überörtlicher Träger der Sozialhilfe
(1) Überörtlicher Träger der Sozialhilfe ist das Land.
(2) Das für Sozialhilfe zuständige Ministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem für innere Angelegenheiten zuständigen Ministerium die zuständige Behörde des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe durch Rechtsverordnung zu bestimmen.
§ 3 Sachliche Zuständigkeit der örtlichen Träger der Sozialhilfe
Die örtlichen Träger der Sozialhilfe sind zuständig für alle Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, soweit nicht nach § 4 der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig ist.
§ 4 Sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe
(1) Der überörtliche Träger der Sozialhilfe ist sachlich zuständig für
- 1. die Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nach § 24 SGB XII und
- 2. die Kostenerstattung nach § 106 Abs. 1 Satz 2 und § 108 SGB XII.
(2) (aufgehoben)
(3) Im Rahmen der Steuerungs- und Planungskompetenzen ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig für die Standort- und Bedarfsplanung sowie nach Maßgabe des Landeshaushalts für die investive Förderung von teil- und vollstationären Eingliederungseinrichtungen für behinderte Menschen, teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen und von teil- und vollstationären Einrichtungen für die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.
(4) Der überörtliche Träger der Sozialhilfe ist außerdem zuständig für
- 1. den Abschluss von Leistungs-, Vergütungs- sowie Prüfvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für die in Absatz 3 genannten Einrichtungen,
- 2. den Abschluss von Rahmenverträgen gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden nach § 79 Abs. 1 SGB XII,
- 3. die Beratung der örtlichen Träger der Sozialhilfe mit dem Ziel der einheitlichen Anwendung des Sozialhilferechts und
- 4. die Erhebung und Auswertung von planungserheblichen Daten.
§ 2 Abs. 2 gilt entsprechend.
(5) Das für Sozialhilfe zuständige Ministerium errichtet zur Beteiligung der örtlichen Träger der Sozialhilfe an der Standort- und Bedarfsplanung sowie der investiven Förderung nach Absatz 3 und an dem Abschluss von Rahmenverträgen nach Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 eine Planungskommission. Die Planungskommission setzt sich aus Vertretern der Landkreise und kreisfreien Städte einerseits sowie aus Vertretern des Landes andererseits in jeweils gleicher Anzahl zusammen. Die Vertreter der Landkreise und kreisfreien Städte werden von ihren kommunalen Spitzenverbänden, die Vertreter des Landes von dem für Sozialhilfe zuständigen Ministerium benannt. Die Planungskommission kann Sachverständige oder Interessensverbände anhören. Die Beschlüsse der Planungskommission werden einvernehmlich zwischen den Vertretern der Landkreise und kreisfreien Städte und den Vertretern des Landes gefasst; kommt ein Beschluss nicht zustande, entscheidet das für Sozialhilfe zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für die Kommunalaufsicht zuständigen Ministerium. Das Nähere über die Errichtung und das Verfahren sowie den Vorsitz in der Planungskommission regelt das für Sozialhilfe zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung.
(6) Bei dem Abschluss von Vereinbarungen nach Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 ist das Einvernehmen mit dem örtlichen Träger der Sozialhilfe herzustellen, in dessen Bereich die Einrichtung, für die eine Vereinbarung geschlossen werden soll, gelegen ist. Kann das Einvernehmen nicht hergestellt werden, entscheidet nach Anhörung der kommunalen Spitzenverbände das für Sozialhilfe zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für die Kommunalaufsicht zuständigen Ministerium.
(7) Die örtlichen Träger der Sozialhilfe sind verpflichtet, der zuständigen Behörde des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe jährlich planungserhebliche Daten im Sinne des Absatzes 4 Satz 1 Nr. 4 zu melden. Das für Sozialhilfe zuständige Ministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem für innere Angelegenheiten zuständigen Ministerium Näheres zur Bestimmung dieser Daten sowie über das Verfahren zur Meldung dieser Daten durch Rechtsverordnung zu regeln.
Zweiter Abschnitt
Deckung des Finanzbedarfs
§ 5 Kostenträger
(1) Die Träger der Sozialhilfe tragen die Kosten für die Aufgaben, die ihnen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder nach diesem Gesetz obliegen.
(2) Das Land gewährt den örtlichen Trägern der Sozialhilfe für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz Zuweisungen nach Maßgabe des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes.
§ 6 Weiterleitung der Erstattungszahlung des Bundes zur Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 46a SGB XII
(1) Die dem Land für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zufließenden Erstattungszahlungen des Bundes nach § 46a SGB XII werden unverzüglich nach Eingang beim Land an die örtlichen Träger der Sozialhilfe weitergeleitet. Der Anteil der einzelnen örtlichen Träger der Sozialhilfe an den Erstattungen des Bundes nach Satz 1 bemisst sich nach der Höhe der tatsächlich gezahlten Leistungen. Die Leistungen werden entsprechend dem Mittelabruf der örtlichen Träger der Sozialhilfe erstattet.
(2) Die örtlichen Träger der Sozialhilfe gewährleisten die Prüfung, dass ihre Ausgaben für Geldleistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch begründet und belegt sind und den Grundsätzen für Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen. Sie haben dem Land für das jeweils abgeschlossene Quartal die Bruttoausgaben und die Einnahmen nach § 46a Abs. 2 SGB XII in tabellarischer Form nachzuweisen. Die örtlichen Träger der Sozialhilfe bestätigen, dass die in Satz 2 genannten Ausgaben und Einnahmen begründet und belegt sind und den Grundsätzen für Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen, sowie die sachliche und rechnerische Richtigkeit ihrer Angaben durch die Unterschrift der hierzu befugten Amtswalter.
(3) Die örtlichen Träger der Sozialhilfe haben dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe die zur Erbringung des Jahresnachweises nach § 46a Abs. 5 SGB XII erforderlichen Nachweise zur Verfügung zu stellen. Die Nachweise nach Satz 1 sind mit einem Vermerk zu versehen, aus dem hervorgeht, dass die Ausgaben und Einnahmen begründet und belegt sind und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen. Der Vermerk bedarf der Unterschrift der hierzu befugten Amtswalter. §§ 81, 114 und 115 der Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) bleiben unberührt.
(4) Die örtlichen Träger der Sozialhilfe haften im Verhältnis zum Land für eine ordnungsmäßige Verwaltung im Sinne des Artikels 104a Abs. 5 Satz 1 des Grundgesetzes. Verauslagt ein örtlicher Träger der Sozialhilfe bei der Durchführung des Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch Mittel in einer nicht von den einschlägigen Rechtsvorschriften gedeckten Weise und erlangt er hierfür eine Ausgabenerstattung nach Absatz 1, ist er dem Land zur Herausgabe verpflichtet. Weitergehende öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche des Landes gegenüber den örtlichen Trägern der Sozialhilfe bleiben unberührt.
(5) Das für Soziales zuständige Ministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem für kommunale Angelegenheiten und dem für den kommunalen Finanzausgleich zuständigen Ministerium unter Berücksichtigung des § 46a Abs. 2 bis 5 und des § 136 SGB XII Einzelheiten zur Ermittlung der Nettoausgaben, zum Antrags-, Erstattungs- und Prüfverfahren sowie die dafür jeweils zuständige Behörde durch Rechtsverordnung zu bestimmen.
§ 6a Weiterleitung der Erstattung des Barbetrags nach § 136 SGB XII
(1) Die örtlichen Träger der Sozialhilfe teilen dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe die Zahl der Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch je Kalendermonat mit, die zugleich Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in einer stationären Einrichtung erhalten, sofern diese in einem Kalendermonat für mindestens 15 Kalendertage einen Barbetrag erhalten haben. Die örtlichen Träger der Sozialhilfe bestätigen die Richtigkeit ihrer Angaben nach Satz 1 durch die Unterschrift der hierzu befugten Amtswalter.
(2) Die Meldungen nach Absatz 1 erfolgen
- 1. für den Meldezeitraum Januar 2017 bis Juni 2017 bis zum Ablauf der 31. Kalenderwoche des Jahres 2017,
- 2. für den Meldezeitraum Juli 2017 bis Juni 2018 bis zum Ablauf der 31. Kalenderwoche des Jahres 2018,
- 3. für den Meldezeitraum Juli 2018 bis Juni 2019 bis zum Ablauf der 31. Kalenderwoche des Jahres 2019 und
- 4. für den Meldezeitraum Juli 2019 bis Dezember 2019 bis zum Ablauf der sechsten Kalenderwoche des Jahres 2020.
(3) Die dem Land zufließenden Erstattungszahlungen des Bundes nach § 136 Abs. 1 SGB XII werden unverzüglich nach Eingang beim Land an die örtlichen Träger der Sozialhilfe weitergeleitet. Der Anteil der einzelnen örtlichen Träger der Sozialhilfe an den Erstattungen des Bundes entspricht den auf diese unter Zugrundelegung der Berechnung nach § 136 Abs. 3 SGB XII jeweils entfallenden Teilbeträgen.
Dritter Abschnitt
Sonstige Aufgaben und Zuständigkeiten
§ 7 Förderung von Maßnahmen und Einrichtungen
(1) Das Land gewährt im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel Zuschüsse und Darlehen zur Förderung von Maßnahmen und Einrichtungen der Verbände der freien Wohlfahrtspflege.
(2) Die örtlichen Träger der Sozialhilfe sollen Maßnahmen und Einrichtungen der Träger der freien Wohlfahrtspflege im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit und der ihnen obliegenden Aufgaben angemessen unterstützen.
§ 8 Erhöhung der Einkommensgrenzen
Für die Festsetzung höherer Grundbeträge nach § 86 SGB XII ist das Land zuständig. Das für Sozialhilfe zuständige Ministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem für die Kommunalaufsicht zuständigen Ministerium und dem für Finanzen zuständigen Ministerium die Erhöhung des Grundbetrags durch Rechtsverordnung festzusetzen.
§ 9 Ordnungswidrigkeiten
Zuständige Verwaltungsbehörde für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 117 Abs. 6 SGB XII ist die Behörde, der gegenüber die Pflicht zur Auskunft besteht.
Vierter Abschnitt
Verfahrensvorschriften
§ 10 Geltendmachung von Ansprüchen
(1) Ein Anspruch auf Sozialhilfe kann außer bei dem zuständigen Träger der Sozialhilfe auch bei der kreisangehörigen Gemeinde geltend gemacht werden, in der sich der Hilfe Suchende tatsächlich aufhält. Die kreisangehörige Gemeinde hat unverzüglich die zuständige Stelle der Sozialhilfe über die Geltendmachung zu unterrichten und die Unterlagen an diese weiterzuleiten.
(2) Der örtliche Träger der Sozialhilfe leitet einen Antrag, über den der überörtliche Träger zu entscheiden hat, unverzüglich an diesen weiter.
§ 10a Besondere Regelungen für Hilfen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
(1) Für Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der örtliche Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten liegt, soweit sich nichts anderes aus § 46b SGB XII ergibt. Diese Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird.
(2) § 6 SGB XII findet auf die Erbringung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechende Anwendung.
§ 11 Beteiligung sozial erfahrener Personen
Eine beratende Beteiligung sozial erfahrener Personen vor Erlass eines Widerspruchsbescheids gegen die Ablehnung der Sozialhilfe oder die Festsetzung ihrer Art und Höhe erfolgt abweichend von § 116 Abs. 2 SGB XII nicht.
§ 12 (aufgehoben)
Fünfter Abschnitt
Schlussbestimmungen
§ 13 Gleichstellungsbestimmung
Status- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.
1 Verkündet als Artikel 1 des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und zur Änderung anderer sozialrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2004 (GVBl. S. 891).