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Rentenversicherungspflicht bei Heilberufen 
12.07.2016

Igl kritisiert Urteil des Bundessozialgerichts

ESV-Redaktion Recht
Umstritten: Die Rentenversicherungspflicht in Heilberufen (Foto: Dan Race/Fotolia.com)
Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts können selbstständige Logopäden der Rentenversicherungspflicht unterliegen, wenn sie überwiegend aufgrund von ärztlichen Verordnungen handeln. Gerhard Igl beleuchtet diese für Heilberufe wichtige Entscheidung in einem Beitrag für die Fachzeitschrift „Die Sozialgerichtsbarkeit” kritisch.

Kern von Igls Kritik am BSG-Urteil vom 23. Juli 2015 (AZ: B 5 RE 17/14 R) ist die Auslegung des Begriffs der „selbstständigen Pflegeperson” im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI durch das BSG. 

Hierzu stellt der Autor zunächst fest, dass diese Norm aus § 2 Abs. 1 Nr. 6 AVG entwickelt worden ist. Allerdings habe man den ursprünglichen Wortlaut geändert. So beschränkt die neue Regelung den erfassten Personenkreis nun auf Pflegepersonen.

Im Wortlaut: 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI - Selbständig Tätige
Versicherungspflichtig sind selbständig Tätige
Nr. 1 (...)
Nr. 2. Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
Nr. 3 (...) 

Auf diese Veränderung des Wortlauts, so Igl weiter, geht der 5. Senat in seinem Urteil nicht ein. Er verweist lediglich auf die sehr allgemeine Gesetzesbegründung. Dort aber findet sich kein Hinweis, auf die eingeschränkte Fassung.

Weisungsabhängigkeit ein Merkmal einer „Pflegeperson”?

Beim Begriff der selbstständigen Tätigkeit von Pflegepersonen, so Igl weiter, habe die Rechtsprechung das ungeschriebene Merkmal der Weisungsabhängigkeit eingeführt. Dies sei überflüssig. Vielmehr wäre die Weisungsabhängigkeit bereits im Begriff der „Pflegeperson” enthalten.

Darüber hinaus knüpft die Rechtsprechung bei der Weisungsabhängigkeit an das Zusammenwirken von (Vertrags-)Ärzten und anderen Heilberufen an, fährt Igl fort. Diese Zusammenarbeit sei aber im Wesentlichen auf die ärztliche Anordnung oder Verordnung zu reduzieren.

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Hieraus dann auch eine arbeitnehmerähnliche Weisungsabhängigkeit zu konstruieren, hält der Verfasser für weit hergeholt. Diese Weisungsgebundenheit resultiert nach seiner Meinung im Wesentlichen aus der organisatorischen Eingliederung der betreffenden Person.

Zwar argumentiert der 5. Senat des BSG auch mit dem Schutzzweck der Vorschrift. Insoweit komme es aber nicht auf die ärztliche Verordnung an.

Folgen des Verzichts auf das Merkmal der Weisungsabhängigkeit

  • Zunächst wären alle nichtärztlichen Heilberufe versicherungspflichtig, wenn die weiteren Voraussetzungen von § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vorliegen.
  • Bei Personen, die nicht in einem Heilberuf zugelassen sind, käme es dann darauf an, ob diese auch in der Kranken-, Säuglings-, Wochen- und Kinderpflege arbeiten, so Igl.
Die vollständige Urteilsanmerkung finden Sie im eJournal die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) - Ausgabe 06/16

Auch interessant: Rechtsprechungsübersicht - Sozialgericht Mainz: OP-Schwester nicht selbstständig

Zur Person
Prof. Dr. Gerhard Igl, Hamburg, ist Universitätsprofessor a.D.

Weiterführende Literatur
Das Loseblattwerk Sozialgesetzbuch (SGB) VI: Gesetzliche Rentenversicherung, herausgegeben von Hauck/Noftz, unterstützt Sie bei der Anwendung des Rechts der Rentenversicherung. Dabei erläutert das Werk Ihnen auch die Gesamtkonzeption und Systematik des Rentenrechts sowie die sozial- und rechtspolitischen Entwicklungen.

 (ESV/bp)