Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
23.08.2016
BGH: Patientenverfügung muss konkret sein
ESV-Redaktion Recht
Wollen Patienten bei einer schweren Erkrankung keine lebenserhaltenden Maßnahmen, können sie eine Patientenverfügung verfassen. Äußern sie sich dabei nicht konkret genug, ist die Verfügung aber nicht bindend. Dies hat der BGH vor kurzem entschieden.
Hintergrund war ein erbitterter Streit unter drei erwachsenen Schwestern um das Leben ihrer Mutter. Nach einem Hirnschlag im Jahr 2011 und einigen späteren epileptischen Anfällen ist das Gehirn der Mutter dauerhaft geschädigt. Sie wird künstlich ernährt. Zwei der Schwestern wollen deshalb, dass die Magensonde entfernt wird. Die dritte Schwester meint dagegen, dass die Zeit hierfür noch nicht gekommen ist.
In den Jahren 2003 und 2011 hatte die Mutter zwei wortgleiche Schriftstücke mit der Überschrift „Patientenverfügung” unterschrieben. An diese Verfügungen war auch eine Vorsorgevollmacht für die dritte Schwester angehängt. Dieser Schwester hatte die Mutter im Jahr 2003 ebenso eine notarielle Generalvollmacht erteilt.
Das Amtsgericht Adelsheim lehnte die Bestellung einer Kontrollbetreuerin ab. Allerdings hat das Landgericht (LG) Mosbach den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und eine der beiden Töchter, die auf Abbruch der künstlichen Ernährung gedrängt hatten, zur Betreuerin der Mutter bestellt. Die Betreuerin erhielt den Aufgabenkreis „Widerruf der von der Betroffenen erteilten Vollmachten”, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge.
Die anschließende Rechtsbeschwerde der anfangs bevollmächtigten Tochter hatte Erfolg. Der XII. Zivilsenat des BGH hat den Beschluss des LG Mosbach aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen.
Dem Wortlaut nach betrafen die Vollmachten aber nur eine Ermächtigung zur Mitsprache in den Fällen, die in den Patientenverfügungen genannt waren, so der BGH weiter. Nicht ausreichend seien insoweit allgemeine Anweisungen wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, wenn kein Therapieerfolg zu erwarten ist. Das Gleiche gilt für die Äußerung, keine lebenserhaltenden Maßnahmen zu wünschen.
Eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne von § 1901 a Absatz 1 BGB sei nur bindend, wenn sie Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in ganz konkrete Maßnahmen beinhaltet, so der BGH weiter.
Das Landgericht muss nun prüfen, ob die Mutter früher eventuell Dinge gesagt hat, die auf ihren ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen schließen lassen.
Beschluss des BGH vom 06.07.2016 - siehe auch Pressemeldung BGH Nr. 136/2016 vom 09.08.2016
(ESV/bp)
Hintergrund war ein erbitterter Streit unter drei erwachsenen Schwestern um das Leben ihrer Mutter. Nach einem Hirnschlag im Jahr 2011 und einigen späteren epileptischen Anfällen ist das Gehirn der Mutter dauerhaft geschädigt. Sie wird künstlich ernährt. Zwei der Schwestern wollen deshalb, dass die Magensonde entfernt wird. Die dritte Schwester meint dagegen, dass die Zeit hierfür noch nicht gekommen ist.
In den Jahren 2003 und 2011 hatte die Mutter zwei wortgleiche Schriftstücke mit der Überschrift „Patientenverfügung” unterschrieben. An diese Verfügungen war auch eine Vorsorgevollmacht für die dritte Schwester angehängt. Dieser Schwester hatte die Mutter im Jahr 2003 ebenso eine notarielle Generalvollmacht erteilt.
Landgericht setzt Kontrollbetreuerin ein
Die beiden nicht bevollmächtigten Töchter hatten beim Betreuungsgericht angeregt, einen Kontrollbetreuer nach § 1896 Absatz 3 BGB zu bestellen. Dieser sollte die Vollmachten dann widerrufen.Das Amtsgericht Adelsheim lehnte die Bestellung einer Kontrollbetreuerin ab. Allerdings hat das Landgericht (LG) Mosbach den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und eine der beiden Töchter, die auf Abbruch der künstlichen Ernährung gedrängt hatten, zur Betreuerin der Mutter bestellt. Die Betreuerin erhielt den Aufgabenkreis „Widerruf der von der Betroffenen erteilten Vollmachten”, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge.
Aktuell |
Hier bleiben Sie immer auf dem aktuellen Stand im Bereich Recht. |
Die anschließende Rechtsbeschwerde der anfangs bevollmächtigten Tochter hatte Erfolg. Der XII. Zivilsenat des BGH hat den Beschluss des LG Mosbach aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen.
Vollmacht muss sich auf ärztliche Maßnahmen beziehen
Nach Meinung des BGH muss eine Vollmacht klar umschreiben, dass sich die Entscheidungsbefugnis des Bevollmächtigten auf ärztliche Maßnahmen bezieht, die im Gesetz genannt sind. Auch muss deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung des Bevollmächtigten mit der Todesgefahr oder einem schweren gesundheitlichen Schaden verbunden sein kann.Dem Wortlaut nach betrafen die Vollmachten aber nur eine Ermächtigung zur Mitsprache in den Fällen, die in den Patientenverfügungen genannt waren, so der BGH weiter. Nicht ausreichend seien insoweit allgemeine Anweisungen wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, wenn kein Therapieerfolg zu erwarten ist. Das Gleiche gilt für die Äußerung, keine lebenserhaltenden Maßnahmen zu wünschen.
BGH: Unklar, ob Mutter auch künstliche Ernährung ablehnt
Auch aus den Patientenverfügungen lasse sich kein Sterbewunsch herleiten. Weil ein Verweis auf bestimmte Maßnahmen oder Krankheiten fehlt, wäre nicht klar, ob die Mutter auch die künstliche Ernährung als lebensverlängernde Maßnahme ablehnt.Eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne von § 1901 a Absatz 1 BGB sei nur bindend, wenn sie Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in ganz konkrete Maßnahmen beinhaltet, so der BGH weiter.
Wann Vollmacht und Patientenverfügung konkret sind: |
|
Praxis-Hinweis |
Beim Abfassen einer Patientenverfügung und/oder einer Generalvollmacht ist also dringend die Beratung durch einen Arzt des Vertrauens zu empfehlen. |
Landgericht Mosbach muss Willen der Mutter neu ermitteln
Auch aus den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich nach Meinung der Karlsruher Richter kein ausdrücklicher oder mutmaßlicher Wunsch der Mutter. Es bleibe unklar, ob sie die Behandlung fortsetzen oder die künstliche Ernährung abbrechen will. Damit habe sich die bevollmächtigte Tochter nicht offenkundig über den Willen ihrer Mutter hinwegsetzt, meinen die Karlsruher Richter hierzu.Das Landgericht muss nun prüfen, ob die Mutter früher eventuell Dinge gesagt hat, die auf ihren ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen schließen lassen.
Beschluss des BGH vom 06.07.2016 - siehe auch Pressemeldung BGH Nr. 136/2016 vom 09.08.2016
Weiterführende Literatur |
Welche Vollmachtsform ist richtig? Unterscheidet sich eine Vorsorgevollmacht von der Betreuungsverfügung und der Patientenverfügung? Welche Vor- und Nachteile haben die einzelnen Vollmachten? Das Buch Vorsorgevollmacht – Betreuungsverfügung – Patientenverfügung, von Prof. Dr. Walter Zimmermann, beantwortet zahlreiche Fragen aus diesem Rechtsgebiet. Der praxiserprobte Experte erläutert ausführlich die verschiedenen Vorsorgemodelle und Anwendungsbereiche sowie die Verfahrensabläufe und Kosten. Kommentierte Musterformulare zu den drei Vorsorgemodellen runden das Werk ab. |
(ESV/bp)