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Leistungen zur Teilhabe 
15.05.2017

LSG Niedersachsen-Bremen: Krankenkasse muss anstelle des Sozialhilfeträgers für Schulwegbegleitung zahlen

ESV-Redaktion Recht
Schulbegleitung ist Teilhabe, so das LSG Niedersachsen-Bremen (Foto: zaschnaus/Fotolia.com)
Oft streiten Sozialhilfeträger über Zuständigkeiten, wenn es um Leistungen gegenüber Schwerbehinderten geht. Über die Frage, ob und inwieweit solche Streitigkeiten auf Kosten der Anspruchsteller ausgetragen werden dürfen, hat kürzlich das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem Eilverfahren entschieden.

In der Sache ging es um einen 1998 geborenen Schüler. Dier leidet an einer schweren Mehrfachbehinderung mit Epilepsie. Der Schüler ist mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen G, H, RF und aG anerkannt. Auf seinem Schulweg muss er stets begleitet werden.

Landkreis Wittmund: Beantragte Leistungen sind Krankenkassenleistungen

Der Landkreis Wittmund hatte als Träger der Sozialhilfe einen Antrag des Schülers auf Bewilligung einer Schulwegbegleitung abgelehnt. Der Landkreis begründete seine Entscheidung damit, dass er hierfür nicht zuständig sei und verwies den Schüler auf entsprechende Leistungen seiner Krankenkasse. Diese sei vor allem deshalb zuständig, weil der Antragsteller auch während der Fahrten zur Schule unter regelmäßig auftretenden schweren epileptischen Anfällen leidet. Deshalb sei eine Schulwegbegleitung aus medizinischen Gründen notwendig.

Der Landkreis leitete den Antrag sodann gemäß § 14 SGB IX an die Krankenkasse des Schülers weiter. Diese lehnte den Antrag jedoch ebenfalls ab.

Krankenkasse: Beantragte Leistungen sollen Teilhabe am Leben der Gesellschaft ermöglichen

Als Begründung meinte die Krankenkasse, dass die Schulwegbegleitung keine medizinische Hilfeleistung, sondern eine Beaufsichtigung zur Sicherung der Teilhabe des Schülers an Erziehung und Bildung wäre. Dies wäre eine Leistung der Sozialhilfe zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

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LSG Celle-Bremen: Krankenkasse ist zur Kostenübernahme für die Schulwegbegleitung verpflichtet

Das LSG Celle-Bremen hat in einem Eilverfahren entschieden, dass ein schwerbehinderter Schüler Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Begleitung auf seinem Schulweg gegen seine Krankenkasse hat, obwohl es sich dabei um eine Leistung der Sozialhilfe handelt.

Die Richter aus Celle meinten, dass eigentlich der Sozialhilfeträger zuständig wäre. Die Regelung des § 14 SGB IX entfalte aber einen Schutzcharakter zugunsten des Antragstellers. Diese Schutzfunktion begründe eine Zuständigkeit des zweitangegangenen Trägers gegenüber dem behinderten Menschen. Dies gilt dem Richterspruch zufolge auch dann, wenn die gewünschten Leistungen nicht zum Zuständigkeitsbereich des Hilfeträgers gehören.

Im Wortlaut: § 14 SGB IX - Zuständigkeitsklärung
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (....).

(4) Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften (...).

Der vom Gesetzgeber gewollte Einigungsdruck zwischen den Trägern von Sozialleistungen, so das Gericht weiter, führe hier dazu, dass die Krankenkasse Sozialhilfeleistungen zu Gunsten des schwerbehinderten Schülers erbringen müsse. Eine Schulwegbegleitung folge aus dessen Anspruch auf eine allgemeine Schulbildung.

Kein Zuständigkeitsstreit zu Lasten des Anspruchsberechtigten

Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen dem Sozialhilfeträger und der Krankenkasse dürften nicht zu Lasten der Schwerbehinderten gehen, führte das LSG Niedersachsen-Bremen weiter aus.

Nach § 14 SGB IX Absatz 4 wird die Krankenkasse gegen den Landkreis Wittmund aber aller Voraussicht nach einen Erstattungsanspruch haben. Dieser umfasst dann die Aufwendungen, die die Krankenkasse anstelle des zuständigen Landkreises gegenüber dem Antragsteller erbracht hat.

Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen zum Beschluss vom 13.03.2017 - AZ: L 4 KR 65/17 B ER

Quelle: Pressemitteilung des LSG Celle-Bremen 08.05.2017 

Den Gesamtzusammenhang im Blick
Das Sozialgesetzbuch IX hat die Situation behinderter Menschen wesentlich erleichtert. Der Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch (SGB) IX: Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, kommentiert die mehrfach ergänzten und geänderten Regelungen fundiert, praxisorientiert und im Gesamtzusammenhang mit den übrigen Teilen des SGB.

(ESV/bp)