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Betriebsrentenstärkungsgesetz 
01.06.2017

Betriebliche Altersversorgung: Große Koalition einigt sich auf Neuregelung

ESV-Redaktion Recht
Betriebsrentenstärkungsgesetz: Nur ein Minimalkonsens? (Foto: weyo/Fotolia.com)
Die Bundesregierung will die betriebliche Altersversorgung (bAV) nun doch noch vor den Wahlen durch den Bundestag bringen. Kern der Reform ist ein Verzicht auf die Haftung der Arbeitgeber sowie ein Sozialpartnermodell. Doch auch die aktuelle Einigung überzeugt nicht alle Kritiker.

Nach der der ersten Lesung im Bundestag am 17.03.2017, aber vor allem nach der Expertenanhörung vom 27.03.2017 schien eine Einigung wegen unterschiedlicher Auffassungen zu einem Garantieverbot für Arbeitgeber weit entfernt. Schieden sich die Geister bisher an der Frage der Haftung der Arbeitgeber, soll es nun eine bAV geben, für deren dauerhaftes Leistungsniveau die Arbeitgeber nicht einstehen müssen.

Nach der Einigung der Regierungskoalition vom 24.04.2017 soll dies im Wesentlichen durch den Verzicht auf Garantien erreicht werden. Zudem plant der Gesetzgeber die Einführung eines Sozialpartnermodells. Die Zustimmung des Bundestags erwartet die Regierung am 01.06.2017. 

Arbeitgeberhaftung nur für Zielrenten

Bisher spielte die bAV eher eine Nebenrolle bei der Altersversorgung. Die Neuregelung hat vor allem die Tarifpartner im Blick. So sollen diese im Rahmen von Tarifverträgen reine Beitragszusagen einführen dürfen. Garantien-oder Mindestleistungen für Arbeitnehmer sind nicht erlaubt. Zudem werden die Arbeitgeber von der Haftung befreit nach dem Prinzip „pay and forget”.

Das heißt, der Arbeitgeber haftet lediglich für sogenannte Zielrenten. Definiert sind diese als Betriebsrente entsprechend der eingebrachten Beiträge. Die Arbeitgeber stehen also nicht für deren Rendite ein.

Die Kernpunkte der Reform
  • Bei einer reinen Beitragszusage ist der Arbeitgeber im Falle einer Entgeltumwandlung dazu verpflichtet, mindestens 15 Prozent des umgewandelten SV-freien Entgelts als Zuschuss an die Versorgungseinrichtung einzuzahlen. 
  • Sozialpartner dürfen künftig Modelle der automatischen Entgeltumwandlung regeln, sogenanntes „Opting-out”.
  • Über Tarifverträge hinaus soll das Betriebsrentenstärkungsgesetz als Grundlage des Sozialpartnermodells auch für die bisherigen Durchführungswege, wie Pensionskassen, Pensionsfonds, U-Kassen und Direktzusagen Neuerungen bringen.
  • Der steuerfreie Höchstbetrag der Entgeltumwandlung wird von vier auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (West) angehoben. Der sozialversicherungsfreie Höchstbetrag bleibt aber bei vier Prozent.
  • Nichttarifgebundene Arbeitgeber und Beschäftigte können künftig vereinbaren, dass die einschlägigen Tarifverträge auch für sie gelten sollen.
  • Die neue Betriebsrente unterliegt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf Grundlage neuer spezifischer Aufsichtsregelungen.

Änderungen für Geringverdiener

Für Geringverdiener sieht die Reform ein neues spezifisches Steuer-Fördermodell für zusätzliche Beiträge des Arbeitgebers in eine betriebliche Altersversorgung vor. Der Förderbetrag beträgt 30 Prozent und wird durch Verrechnung mit der vom Arbeitgeber abzuführenden Lohnsteuer realisiert.

Die Förderung richtet sich an Beschäftigte mit einem Bruttoeinkommen von bis zu 2.200 Euro pro Monat. Für Beiträge zwischen mindestens 240 bis 480 Euro pro Kalenderjahr liegt der Förderbetrag somit bei 72 bis maximal 144 Euro jährlich.

Betriebsrentenstärkungsgesetz und Riesterrente
Im Bereich der Riester-Rente plant der Gesetzgeber folgende Änderungen:
  • Die jährliche Grundzulage wird von aktuell 154 Euro auf 175 Euro angehoben. 
  • Erleichterungen bei der Besteuerung der Abfindungen von Kleinbetragsrenten. 
  • Kürzere Frist beim Zulageverfahren für die Überprüfung des Zulageanspruchs durch die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen.

Weitere steuerrechtliche Aspekte

  • Die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung von 20 Prozent bleibt. Hierbei werden die tatsächlich pauschalbesteuerten Beträge im Kalenderjahr auf den neuen steuerfreien Rahmen von acht Prozent der steuerechtlichen Beitragsbemessungsgrenzen angerechnet. 
  • Zudem soll der sogenannte steuerfreie Dotierungsrahmen in bestimmten Fällen durch Einräumung einer zusätzlichen steuerfreien Dotierungsmöglichkeit von bis zum 10-fachen Jahresvolumen flexibilisiert werden. Dies gilt für Abfindungszahlungen und gebrochene Erwerbsbiographien. Umgesetzt werden soll dies durch verschiedene Vereinfachungen des steuerlichen Verwaltungsverfahrens. 
Nachtrag: Reform passiert Deutschen Bundestag
Inzwischen hat der Deutsche Bundestag das Gesetzesvorhaben verabschiedet. Mit den Stimmen der Regierungsparteien und gegen die Stimmen der Opposition hat der Bundestag am 01.06.2017 den Regierungsenturf zum Betriebsrentenstärkungsgesetz gebilligt. Damit folgte das Gremium der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales. [Mehr zum Thema].

Kritik bleibt

Trotz der Einigung bleibt die Reform weit hinter den Erwartungen vieler Betriebsrentenexperten zurück. Danach reicht allein das Sozialpartnermodell nicht aus, um die ursprünglichen Ziele der Regierungskoalition zu erreichen. Die Koalition wollte Voraussetzungen schaffen, um Betriebsrenten auch in kleinen Unternehmen realisierbar zu machen. Ebenso sollten Hemmnisse bei KMU abgebaut werden.

Demgegenüber wird der akuelle Entwurf zum Betriebsrentenstärkungsgesetz vielerseits nur als kleinster gemeinsamer Nenner empfunden.  

Besondere Kritik entzündet  sich an der nach wie vor hohen Komplexität der bAV und ungünstigen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen. Eine für die Zielgruppe deutlich erkennbare Attraktivität sehen viele Experten daher nicht.  

Finanz-und Steuerexperte Dr. Heinz-Gerd Horlemann bezieht zu der Neuregelung eine klare Position:

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Der Kommentar, Staatliche Förderung der Altersvorsorge und Vermögensbildung, herausgegeben von Dr. Heinz-Gerd Horlemann, Dipl.-Finanzwirt (FH), erschließt Ihnen dieses komplexe Beratungsfeld mit fundierten Ausführungen und verschafft Ihnen einen umfassenden Einblick in eine Fülle steuerlich vorteilhafter Fördermöglichkeiten.

(ESV/bp)