BSG: Rentenabschlag auch nach Erstattungszahlungen eines Haftpflichtversicherers?
Der Kläger hatte im Jahr 2003 einen Unfall. Bevor er seine Regelaltersrente erreicht hatte, bezog er von März 2006 bis Mai 2010 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Aufgrund dieser vorzeitigen Inanspruchnahme hatte der Rentenversicherungsträger diese Rente nur mit Abschlägen gezahlt, und zwar mit einem Zugangsfaktor von 0,847 anstelle von 1,0. Der im Rechtssteit beigeladene Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers war dem Kläger zivilrechtlich vollständig zum Schadensausgleich verpflichtet und hatte der beklagten Rentenversicherungsträgerin deren vorzeitige Rentenzahlungen an den versicherten Kläger vollständig erstattet.
Von Juni 2010 an gewährte der Rentenversicherungsträger dem Kläger dann eine Regelaltersrente, allerdings weiterhin mit einem Zugangsfaktor von 0,847 für die Entgeltpunkte, die bereits als Basis für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit dienten. Mit seinem Antrag auf eine höhere Regelaltersrente hatte der Kläger im Widerspruchsverfahren keinen Erfolg.
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Ausgangsinstanz: Zahlungen des Versicherers bewirken abschlagsfreie Regelaltersrente
Die Ausgangsinstanz - das Sozialgericht (SG) Braunschweig - hat die Beklagte daraufhin verurteilt, dem Kläger die Regelaltersrente abschlagsfrei mit einem Zugangsfaktor von 1,0 zu zahlen. Nach Auffassung des SG ist der Kläger nach Erstattung der Rentenzahlungen so zu stellen, als habe er die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nicht vorzeitig in Anspruch genommen.Beklagte: Ausgleich von Rentenminderungen nur durch Zahlung zusätzlicher Beiträge
Hiergegen wendete sich die Beklagte mit einer Sprungrevision. Nach ihrer Meinung fällt der vorzeitige Altersrentenbezug des Klägers aufgrund der Schadensersatzzahlungen der Beigeladenen nicht weg. Rentenminderungen aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente könnten aussschließlich durch Zahlung zusätzlicher Beiträge ausgeglichen werden, so die Beklagte.Im Wortlaut: § 187a Absatz 1 SGB VI - Zahlung von Beiträgen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters |
(1) Bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze können Rentenminderungen, die durch die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters entstehen, durch Zahlung von Beiträgen ausgeglichen werden. |
Im Wortlaut: § 77 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 SGB VI |
(3) Für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente waren, bleibt der frühere Zugangsfaktor maßgebend (...). Der Zugangsfaktor wird für Entgeltpunkte, die Versicherte bei 3. einer Rente nach Erreichen der Regelaltersgrenze nicht in Anspruch genommen haben, um 0,005 je Kalendermonat erhöht. |
BSG: Berechnung der nachfolgenden Regelaltersrente ohne Abschläge
Der 13. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) teilte die Auffassung der Beklagten Rentenversicherungsträgerin nicht. Zumindest in den Fällen, in die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers dem Rentenversicherer die vorzeitige Altersrente des Versicherten vollständig erstattet, muss die Berechnung der nachfolgenden Regelaltersrente ohne Abschläge erfolgen. Dies hat der Senat wie folgt begründet:- Rechtsgrundlage ist § 77 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 SGB VI: Allerdings kann diese Norm nicht unmittelbar angewendetet werden, weil sie eine Erhöhung des monatlichen Zugangsfaktors vorsieht, wenn die Rente nicht mehr vorzeitig in Anspruch genommen wird.
- Analoge Anwendbarkeit: Dennoch ist diese Regelung analog anzuwenden. Der Gesetzgeber hat die partielle Fortwirkung des abgesenkten Zugangsfaktors bei einer Regelaltersrente im Anschluss an eine schädigungsbedingt vorzeitig in Anspruch genommene Altersrente, die später erstattet wurde, nicht gesehen. Diese planwidrige Regelungslücke ist nach Auffassung der Richter aus Kassel mit Hilfe einer Durchbrechung der grundsätzlichen Fortschreibung des abgesenkten Zugangsfaktors bei der Regelaltersrente zu schließen.
Gesetzliche Alterssicherung | 29.11.2016 |
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(ESV/bp)