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Nachgefragt bei: Rechtsanwältin Dr. Clarissa Freundorfer 
23.02.2018

Freundorfer: „Die berufsrechtliche Lösung war der richtige Weg“

ESV-Redaktion Recht
Freundorfer: „Die Reform hat sich bewährt” (Foto: Privat)
Mit Wirkung zu Beginn 2016 hat der Gesetzgeber die Rechtsfigur des Syndikusrechtsanwalts eingeführt. Rechtanwältin Dr. Clarissa Freundorfer, Unternehmensjuristin und Vizepräsidentin der RAK Berlin, zieht im Interview mit der ESV-Redaktion ein erstes Fazit über die Auswirkungen der Reform.

Frau Dr. Freundorfer, seit Anfang 2016 gibt es über eine Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die Rechtsfigur der Syndikusrechtsanwaltschaft. Nun ist der Syndikusanwalt an sich nicht neu. Können Sie diesen Begriff kurz umschreiben?

Clarissa Freundorfer: Der Syndikusanwalt war als Begriff schon lange bekannt. Es handelt sich um Juristen, die eine Zulassung als Rechtsanwalt haben, ihre juristische Tätigkeit aber überwiegend im Unternehmen ausüben. Durch das Syndikusrechtsanwaltsgesetz wurde nunmehr die Rechtsfigur des Syndikusrechtsanwaltes eingeführt, der seine Zulassung gerade wegen und für die Tätigkeit im Unternehmen hat.

Was unterscheidet den Syndikusanwalt vom normalen Unternehmensjuristen?

Clarissa Freundorfer: Der Syndikusanwalt alter Prägung hatte anderes als der reine Unternehmensjurist eine Zulassung als Rechtsanwalt. Der Syndikusrechtsanwalt ist gerade wegen und für die Tätigkeit im Unternehmen zugelassen. Hierfür muss er insbesondere fachlich unabhängig sein. Auch muss er Volljurist sein. Es gibt ja auch Unternehmensjuristen, die nur ein Staatsexamen haben.

Zur Person
Dr. Clarissa Freundorfer ist Vizepräsidentin der RAK Berlin und seit 2005 als Anwältin tätig. Seit 2010 ist sie in Berlin zugelassen und Syndikusrechtsanwältin bei der Deutschen Bahn AG. 

„Syndikusanwälte mussten sich gesetzlich rentenversichern”

Einer der Gründe für die Reform war die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Jahr 2014. Danach konnten Juristen, die abhängig in einem Unternehmen beschäftigt waren, nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden. Was war das Hauptargument des BSG und was bedeutete diese Rechtsprechung für Syndikusanwälte?

Clarissa Freundorfer:
Das Hauptargument war, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei Syndikusanwälten alter Prägung nicht für die Tätigkeit im Unternehmen erfolgte. Daher würden sie ihren Arbeitslohn vom Unternehmen auch nicht für eine anwaltliche Tätigkeit erhalten und seien insofern nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien. Für Syndikusanwälte bedeutete dies, dass sie sich gesetzlich rentenversichern mussten, statt wie bisher in den Versorgungswerken, es sei denn sie verfügten noch über einen gültigen Altbescheid der DRV Bund.

„Sozialrechtliche Lösung wollte nur im Sozialrecht ansetzen”

Um den Syndikusanwälten den Weg zurück in die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu ermöglichen, wurden anschließend sozialrechtliche und berufsrechtliche Lösungen diskutiert. Was sahen diese Lösungsansätze im Einzelnen denn vor?

Clarissa Freundorfer: Die sozialrechtliche Lösung wollte nur im Sozialrecht ansetzen und dort explizit regeln, dass Syndikusanwälte von der Rentenversicherung befreit werden können (§ 6 SGB VI). Die berufsrechtliche Lösung wollte anerkennen, dass Syndikusanwälte im Unternehmen selbst anwaltlich tätig sind und daher wie alle anderen Rechtsanwälte von der Rentenversicherungspflicht befreit werden können.

Durchgesetzt hat sich schließlich die berufsrechtliche Lösung mit einer Änderung von § 46 Abs. 2 BRAO. Mit dieser wurde anerkannt, dass Anwälte auch bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern beschäftigt sein können, soweit sie im Wesentlichen vier Kriterien erfüllen. Können Sie diese Kriterien kurz skizzieren?

Clarissa Freundorfer: Die Tätigkeit muss geprägt sein durch die Prüfung von Rechtsfragen, die Rechtsberatung, die Ausrichtung auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen und die Befugnis nach außen verantwortlich aufzutreten.

Darf der Syndikusrechtsanwalt neuer Prägung für seinen Arbeitgeber auch vor Gericht auftreten?

Clarissa Freundorfer:
Ja, er darf vor Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichten als Rechtsanwalt vor Gericht auftreten, außerdem vor Gerichten, an denen kein Anwaltszwang besteht. Nicht auftreten darf er daher z.B. vor Landgerichten.

Und wie bewerten Sie diese Lösung?


Clarissa Freundorfer: Aus meiner Sicht war die berufsrechtliche Lösung der richtige Weg. Die berufsrechtliche Anerkennung der anwaltlichen Tätigkeit im Unternehmen war überfällig. Die sozialrechtliche Lösung wäre zu kurz gesprungen.

„DRV Bund kann vor Anwaltsgerichtshof klagen”

Ob eine anwaltliche Tätigkeit im Unternehmen vorliegt, entscheidet seit 2016 die zuständige Rechtsanwaltskammer. Welche Rolle spielt die Deutsche Rentenversicherung dabei und wie kann sie ggf. gegen die Kammerentscheidung vorgehen?

Clarissa Freundorfer: Die DRV Bund wird angehört. Entscheidet die Kammer gegen das Votum der RAK, kann die DRV Bund dagegen vor dem Anwaltsgerichtshof klagen.

Die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung setzt neben der Zulassung zur Syndikusrechtsanwaltschaft nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zusätzlich voraus, dass der Antragsteller Pflichtmitglied in einem Versorgungswerk ist. Für die Pflichtmitgliedschaft sehen viele Versorgungswerke immer noch vor, dass der Antragsteller die Altersgrenze von 45 Jahren noch nicht erreicht hat.  Gibt es dennoch Möglichkeiten der rückwirkenden Aufnahme für Antragsteller, die diese Altersgrenze überschritten haben?

Clarissa Freundorfer: Es gibt eine besondere Rückwirkungsregelung im Gesetz, die dann hilft, wenn das zuständige Versorgungswerk die Altersgrenze bis um 31.12.2018 aufhebt.

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Innerhalb der ersten zwei Jahre nach Inkrafttreten der Reform sind etwa 14.000 Juristen zur Syndiksrechtsanwaltschaft zugelassen worden, so die BRAK. Welche Anfangsprobleme gab es dabei in den Zulassungsverfahren?


Clarissa Freundorfer: Die RAKs hatten keine Zeit, sich personell und fachlich auf das neue Gesetz vorzubereiten, da es sehr kurzfristig in Kraft trat. Daher dauerten die Verfahren am Anfang sehr lange. Die RAKs mussten sich erst einarbeiten, Leitfäden erstellen, Entscheidungen zu Grundsatzfragen treffen.

Hat es auch Klagen der Deutschen Rentenversicherung gegen die Zulassung gegeben und wenn ja, wie sind die Verfahren in der Tendenz ausgegangen?

Clarissa Freundorfer: Die DRV Bund ist recht klagefreudig. Einige dutzend Klagen wurden entweder schon entschieden oder sind noch anhängig. In der Tendenz verliert die DRV Bund einige Klagen, vor allem gegen angestellte Schadensjuristen bei Versicherungen.

„Reform dem Grunde nach bewährt”

Ihr Fazit: Hat sich die Neuregelung bewährt und wo sehen Sie noch Regelungsbedarf?

Clarissa Freundorfer: Die Reform hat sich bewährt, allerdings sind einige gesetzliche Anpassungen erforderlich. Einzelheiten hierzu würden an dieser Stelle zu weit führen. Die Branchenverbände, wie z.B. der Anwaltverein arbeiten derzeit an ihren Stellungnahmen zur Ende 2018 anstehenden Evaluation des Gesetzes.

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(ESV/bp)