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Sozialrecht 
22.03.2018

Hilfsmittel für behinderte Menschen: Wann die Gesetzliche Krankenversicherung leisten muss

ESV-Redaktion Recht
Rollator: Gehhilfe der Produktgruppe 10 im Hilfsmittelverzeichnis (Foto: lotharnahler/Fotolia.com)
Hilfsmittel können für behinderte Menschen große Erleichterungen bringen. Doch welche Anschaffungen müssen die Gesetzlichen Krankenkassen finanzieren? Dr. Rudolf Eichberger, Richter am Sozialgericht (SG) Regensburg, gibt in der Fachzeitschrift WzS einen Überblick über die Schwierigkeiten bei der Genehmigung von Hilfsmitteln.

Nach Eichberger führt der technische Fortschritt im medizinisch-technischen Bereich verstärkt dazu, dass das Interesse behinderter Menschen an jeglicher Erleichterung des Lebens zunimmt. Allerdings könne die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nicht alle Wünsche erfüllen und die Abgrenzung der verschiedenen Sicherungssysteme in medizinischer, beruflicher oder sozialer Hinsicht sei zum Teil schwierig, so der Verfasser. Ihm zufolge ist eine Abgrenzung aber notwendig, um eine Finanzierung durch die Krankenversicherung weiterhin zu sichern.

Die gesetzliche Regelung

Nach § 11 Absatz 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese erforderlich ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. In diesem Zusammenhang gewährt § 27 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 33 SGB V einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall notwendig sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Das Gesetz erwähnt insoweit ausdrücklich und beispielhaft Hörhilfen, Körperersatzstücke und andere orthopädische Hilfsmittel.

Im Wortlaut § 11 Absatz 1 Nr. 4 SGB V - Leistungsarten
 (1) Versicherte haben nach den folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen (...)
      4. zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52), (...)
Im Wortlaut § 27 SGB V Krankenbehandlung
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst (…)
     3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, (…)

Hilfsmittel zu Lasten der GKV und Pflegehilfsmittel

Hilfsmittel zu Lasten der GKV sind zu unterscheiden von Pflegehilfsmitteln. Allerdings gibt es auch doppelfunktionale Hilfsmittel. Diese Abgrenzung ist oft verbunden mit einem Heimaufenthalt der Betroffenen. Hier, so Eichberger weiter, spiele auch Vorhaltepflicht des Heimträgers sowie die Einstandspflicht des Sozialhilfeträgers eine Rolle. So müsse die Krankenkasse bei vollstationärer Unterbringung nur die individuell angepassten Hilfsmittel zur Verfügung stellen.

Bei Pflegehilfsmitteln im häuslichen Bereich liegt die Zuständigkeit bei der Pflegekasse, da diese der Erleichterung der Pflege dienen. Demgegenüber habe im Heim dessen Träger die üblichen Hilfsmittel vorzuhalten. Hilfsmittel in diesem Sinn sind alle Mittel, die bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können.

Unmittelbarer oder mittelbarer Behinderungsausgleich

Im Weiteren ist zu unterscheiden zwischen unmittelbarem und dem mittelbaren Behinderungsausgleich: 
  • Unmittelbarer Behinderungsbereich: ersetzt ein ausgefallenes Körperteil unmittelbar.
  • Mittelbarer Behinderungsausgleich: Dient der Erschließung des Umfeldes.
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Hilfsmittelverzeichnis 

Im Regelfall, so Eichberger weiter, sind Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V gelistet. Dieses lege laufend neue Qualitätsstandards fest. Die Listung im Verzeichnis ist allerdings keine Voraussetzung für die Einordnung als Hilfsmittel. Zudem gibt es ein eigenes Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG). Dieses ändert und ergänzt vor allem die maßgeblichen Vorschriften des SGB V. Ziel des Gesetzes ist es, mehr Qualität und Transparenz in den Hilfsmittelmarkt zu bringen.

Einzelne Hilfsmittel

Brillen und sonstige Sehhilfen: Diese sind als Hilfsmittel in § 33 Abs. 2 SGB V besonders erfasst. Eichberger zufolge wollte der Gesetzgeber grundsätzlich nur bis zum 18. Lebensjahr einen Leistungsanspruch gewähren. Ausnahmen für die Verordnungsfähigkeit für Kinder gibt es nach § 14 HilfsM-RL.

Darüber hinaus gewährt das Gesetz einen Anspruch für besonders schwer Sehbehinderte. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bestimmt dazu Einzelheiten in der HilfsM-RL Nr. B. So sind Brillengläser nach § 13 Abs. 1 HilfsM-RL verordnungsfähig.

Perücken: Wesentlich mehr Aufregung gibt es um Perücken. Einen solchen Haarersatz klagen hauptsächlich Frauen ein, die unter Alopezie leiden. Ziel der Klägerinnen ist meist die Versorgung mit Echthaarteilen. Demgegenüber hält der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) meist ein ein Kunsthaarteil für ausreichend und wirtschaftlich. Nach Eichberger steht hierbei meist die psychische Belastung bei den Versicherten im Vordergrund. Psychische Konfliktlagen wären aber nicht durch eine Hilfsmittelversorgung durch die GKV zu lösen. Daher werde hier auch oft eine Psychotherapie gewährt. Die weiteren Besonderheiten: 
  • Entstellung durch Haarverlust: Nach der Rechtsprechung des BSG ist Voraussetzung für die Versorgung mit einer Perücke, dass der Verlust des Haupthaares für einen unbefangenen Betrachter sofort zu erkennen ist, wobei aber nicht die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht bezweckt wird. Zudem muss dem ein Krankheitswert vorliegen, der in einer entstellenden Wirkung gesehen werden könnte.
  • Unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern: Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Zeiterscheinungen unterscheidet das BSG auch zwischen Männern und Frauen. Danach erregen haarlose Männer heute keine Aufmerksamkeit mehr. Daher müssten beim Mann schon noch besondere Umstände zu dem Haarausfall hinzutreten. Demgegenüber erregt ein Haarausfall bei Frauen immer noch mehr Aufsehen erregt.
Hörgeräte: Streitigkeiten um Hörgeräte halten sich dem Verfasser zufolge in einem begrenzten Rahmen. Der Grund liegt darin, dass die Festzuschüsse erhöht worden sind. Vereinzelt, so Eichberger weiter, gibt es zwar noch Streit darüber, ob der Festzuschuss ausreicht, um ein angemessenes Hörgerät zu erhalten, das den Hörverlust weitestgehend ausgleicht, oder ob die Krankenkasse ein Aufpreisgerät bewilligen muss. Insoweit verweist der Verfasser darauf, dass letztlich der Hörgeräteakustiker aufgrund der Vertragslage dazu verpflichtet ist, den Hörverlust mit einer aufzahlungsfreien digitalen Versorgung möglichst weitgehend auszugleichen.

Lesen Sie in dem vollständigen WzS-Beitrag von Eichberger:
Die klassischen Abgrenzungsschwierigkeiten bei Hörgeräten,  Bewegungstrainern,  Therapierädern,  Rollstühlen,  Coaguchecks,  Duschstühlen,  Glukosemessung/Insulinpumpen oder LifeVests

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(ESV/bp)