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Berufskrankheiten 
02.08.2021

LSG Darmstadt: Schäden an Lendenwirbelsäule können auch bei Kombinationsbelastungen als Berufskrankheit anzuerkennen sein

ESV-Redaktion Recht
Schäden an der Lendenwirbelsäule können auch durch Kombination verschiedener beruflicher Tätigkeiten als Berufskrankheit anzuerkennen sein (Foto: WavebreakmediaMicro / stock.adobe.com)
Erkrankungen, die in der Liste der Berufskrankheiten aufgeführt sind, müssen prinzipiell getrennt betrachtet werden. Doch was gilt, wenn ein gesundheitlicher Schaden durch verschiedene berufsbedingte Einwirkungen verursacht wird? Hierüber hat das LSG Hessen – auch als LSG Darmstadt bezeichnet – aktuell entschieden.

 


In dem Streitfall war ein Versicherter, der als Heimatvertriebener anerkannt war, sowohl Belastungen durch vertikale Ganzkörperschwingungen als auch Belastungen durch Heben und Tragen von schweren Gewichten ausgesetzt und litt an einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS). Von 1975 bis 1991 war er als LKW-Fahrer auf unebenen Landstraßen in Kasachstan unterwegs. Im Anschluss an seine Einreise nach Deutschland arbeitete er als Gießereiwerker, Betonfertigteilbauer und Lagerarbeiter.
 

Berufsgenossenschaft: Kein Zusammenhang zwischen berufsbedingter Belastung und Wirbelsäulenschaden

 
Seit 2008 ist der Kläger nicht mehr berufstätig und bezieht eine Erwerbsminderungsrente. Eine Berufskrankheit wollte die für ihn zuständige Berufsgenossenschaft (BG) nicht anerkennen. Die Begründung: Zwischen der berufsbedingten Belastung und seinem Wirbelsäulenschaden sei kein Ursachenzusammenhang zu erkennen.  

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LSG Darmstadt: Maßgebend ist die Kombinationsbelastung verschieder  Einwirkungen

Die Auffassung der BG teilte das LSG Darmstadt nicht und verurteilte diese zur Anerkennung der Berufskrankheiten Nr. 2108 und Nr. 2110. Die wesentlichen Erwägungen des LSG:
 
  • Grundsätzlich getrennte Betrachtung: Demnach sind die in der Berufskrankheitenliste aufgeführten Krankheiten zwar grundsätzlich getrennt zu betrachten, denn jede bildet einen eigenen Versicherungsfall.
  • Bestimmte Krankheiten können Tatbestände für mehrere Berufskrankheiten erfüllen:  Allerdings können bestimmte Krankheitsbilder durch unterschiedliche berufliche Einwirkungen verursacht werden. Damit kann auch nur eine Krankheit die Voraussetzungen für mehrere Berufskrankheiten erfüllen.
  • Gleichzeitige Anerkennung mehrerer Berufskrankheiten: Dem LSG zufolge müssen diese dann auch nebeneinander anerkannt werden. Hierbei ist eine einheitliche Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festzusetzen.
  • Richtwert für Lebensdosis durch Kombinationsbelastung erfüllt: Im Streitfall litt der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der unteren Lendenwirbelsäule (LWS). Diese war nach der Überzeugung der Richter aus Darmstadt hinreichend wahrscheinlich auf die physikalischen Einwirkungen auf den Kläger während seines Berufslebens zurückzuführen. Demnach lagen besonders intensive Belastungen vor. Anhaltspunkte sah das Gericht insoweit in dem Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren. Dieser Wert könne durch schweres Heben und Tragen von Lasten, auch Ganzkörperschwingungen, aber auch durch die Kombination beider Belastungsarten erreicht worden sein. 
Zwar hatte die BG noch vorgetragen, dass ihr Präventionsdienst keine Software für eine derartige Berechnung hat. Dies war nach Auffassung des LSG aber unbeachtlich, so dass es die Berechnung auf Grundlage der vorliegenden Daten selbst durchführte. Die Darmstädter Richter haben Revision nicht zugelassen.
 
Quelle: PM des LSG Darmstadt vom 29.07.2021 zum Urteil vom 04.07.2021 – L 3 U 70/19


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(ESV/bp)