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Arbeitsunfall und Corona 
26.10.2022

SG Konstanz zum Nachweis einer Corona-Infektion als Arbeitsunfall

ESV-Redaktion Recht
Die Klägerin hatte regelmäßig kurze Kontakte zu einem infizierten Kollegen – hier ein Symbolbild (Foto: yurolaitsalbert / stock.adobe.com)
Infektionen mit Corona können prinzipiell als Arbeitsunfall bewertet werden. Nachdem das VG Bayreuth dies bei einer Lehrerin abgelehnt hatte, ging es nun vor dem SG Konstanz um die Ansteckung einer Büroangestellten in einem Handwerksbetrieb.


In dem Streitfall wurde ein Kollege der Klägerin am 12.04.2021 positiv auf Corona getestet. In der Nacht vom 15. auf den 16.04.2021 spürte auch die Klägerin erste Symptome, am 19.04.2021 war ein PCR-Test bei ihr positiv. Nach ihrem weiteren Vortrag leidet sie noch an Langzeitfolgen der Krankheit, und der Fall landete schließlich vor dem SG Konstanz.

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SG Konstanz: Klägerin hätte sich auch im privaten Bereich anstecken können

Zwar meinte das SG, dass eine Infektion mit Corona grundsätzlich ein Arbeitsunfall sein kann. Dennoch hatte ihre Klage keinen Erfolg. Die tragenden Überlegungen des Gerichts:
 
  • Allgemeine Corona-Gefahr kein Hindernis für Anerkennung als Arbeitsunfall: Zunächst meinte das Gericht, dass die allgemeine Corona-Gefahr einer Anerkennung als Arbeitsunfall nicht entgegensteht. Ebenso ist unbestritten, dass es – nach wie vor – massenweise zu Infektionen kommt und dass das Infektionsrisiko durch die zusätzlichen Kontakte am Arbeitsplatz steigen kann. 
  • Aber – Infektion bei versicherter Tätigkeit nicht nachgewiesen: Die Anerkennung einer Infektion mit Corona als Arbeitsunfall setzt aber den Nachweis voraus, dass sich die Klägerin während ihrer versicherten Tätigkeit am Arbeitsplatz und nicht im privaten Bereich angesteckt hat. 
  • Alle Umstände des Einzelfalls maßgeblich: Bei der Einordnung einer Infektion als Arbeitsunfall sind aber dem SG zufolge die Maßstäbe, die das RKI zur Bestimmung enger Kontaktpersonen entwickelt hat, nicht unmittelbar anwendbar. Vielmehr sind sämtliche Einzelfallumstände zu berücksichtigen.
  • Ansteckung auch im privaten Bereich möglich: Unbestritten fanden immer wieder kurze Kontakte zwischen der Klägerin und ihrem infizierten Kollegen statt. Hierbei wurden grundsätzlich OP-Masken getragen. Allerdings hätte sich die Klägerin auch im privaten Bereich anstecken können. Sie hatte nämlich eingeräumt, in der fraglichen Zeit auch für ihre vierköpfige Familie eingekauft zu haben. In Lebensmittelgeschäften war sie aber ebenso wie an ihrem Arbeitsplatz kurzen Kontakten mit anderen Kunden ausgesetzt. Es ist also nicht von einer „Gefährdung am Arbeitsplatz bei einer gleichzeitig fernliegenden Infektion im privaten Bereich“ auszugehen, so das Gericht hierzu.
Damit hatte die Klägerin nach Ansicht des SG Konstanz keine zweifelsfreie Corona-Infektion am Arbeitsplatz nachgewiesen.
  
Quelle: PM des SG Konstanz vom 19.09.2022 zum Urteil vom 16.09.2022 – S 1 U 452/22
 


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(ESV/bp)