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Neue Wege in der Krankenversicherung 
13.02.2023

Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (gKV) über Steuergelder?

ESV-Redaktion Recht
Rainer Schlegel, Präsident des BSG: Aufgrund der Kostensteigerungen reichen die Beiträge zur gKV schon heute nicht mehr aus (Foto: Butch / stock.adobe.com)
Der Präsident des Bundessozialgerichts (BSG), Rainer Schlegel, regt an, die gesetzliche Krankenversicherung (gKV) künftig über Steuern zu finanzieren. Wie er im Interview gegenüber der Tageszeitung „Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA)“ betonte, hat auch die gKV die demografische Entwicklung bisher nicht berücksichtigt.


Schlegel zufolge ist im Gesundheitswesen dieselbe Situation vorzufinden wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch im Gesundheitswesen sei die Kostensteigerung aufgrund der innovativen Pharma-Industrie und der großen medizinischen Fortschritte enorm und die Beiträge – die im Wesentlichen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgebracht werden – reichen schon heute nicht mehr. Die weiteren wesentlichen Aspekte von Schlegel:
 
  • Entlastung des Gesamt-Faktors Arbeit: Im Rahmen einer Steuerfinanzierung würden nicht nur die unteren Lohngruppen, sondern der Faktor Arbeit im Ganzen erheblich entlastet, meint Schlegel weiter. Anschließend weist er darauf hin, dass die Beitragsbelastung bei der Bemessungsgrenze endet. In diesem Jahr sind dies 4.987,50 EUR. Demgegenüber wäre bei einer Steuerfinanzierung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Bürgern und Unternehmen der Maßstab.
  • Neue Strukturen durch Privatisierung: Allerdings wären bei einer Umstellung neue Strukturen zu schaffen. So müssten viele Krankenkassen durch Konzentrationsprozesse zusammengeführt werden. Ebenso wenig könnten diese noch Körperschaften des öffentlichen Rechts bleiben, weil ein steuerfinanziertes System keine Mitglieder hat.

Schlegel: Ein großes Rad, an dem gedreht werden muss

 „Das ist ein großes Rad, das gedreht werden muss“, meint er hierzu – aber er hält es für unumgänglich, daran zu drehen. 

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DGB: Bürgerversicherung als Alternative?

Skeptisch zu Schlegels Vorschlag äußerte sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) über sein Vorstandsmitglied Anja Piel. Demnach bringt eine Privatisierung der gKV für Arbeitnehmer nur Nachteile, so Piel hierzu laut einer Mitteilung vom 10.02.2023. Ihre wesentlichen Erwägungen:
 
  • Verlust von Mitbestimmungsrechten: Die Arbeitnehmer würden als Privatversicherte ihre Mitbestimmungsrechte über die Verwaltung und Leistungen der Kassen verlieren.
  • Arbeitgeber aus ihrer Verantwortung genommen: Darüber hinaus würde die steuerfinanzierte Krankenversicherung Arbeitgeber aus der Verantwortung nehmen.
  • Teurer Zivilrechtsweg im Streitfall: Zudem wären Streitigkeiten mit den Krankenkassen künftig auf dem teuren Zivilrechtsweg anzufechten – anstatt über die erheblich günstigere Sozialgerichtsbarkeit. 
Piel plädiert stattdessen für eine Bürgerversicherung. Mit dieser könnten mehr Bürger als Beitragszahler und Leistungsberechtigte erfasst werden, wobei nach ihrer Auffassung Besserverdiener stärker zu beteiligen wären.
 
Auch für Einkommen aus Vermietung und Verpachtung oder für Zinseinnahmen oberhalb von Freibeträgen könnten Beiträge erhoben werden. Damit würden Arbeitgeber in ihrer Verantwortung bleiben und Beschäftigte in ihren Krankenkassen weiterhin mitbestimmen, so Piel abschließend.
 
Quellen:

  • Meldung der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine (HNA) vom 10.02.2023 und zahlreiche Presseberichte

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(ESV/bp)