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Obliegenheiten des Arbeitnehmers bei Arbeitsunfähigkeit 
26.09.2023

BSG zur nachträglich festgestellten Arbeitsunfähigkeit (AU)

ESV-Redaktion Recht
BSG: Es reicht aus, wenn der Versicherte am ersten Tag nach Ablauf der AU zu üblichen Öffnungszeiten seinen Arzt aufsucht (Foto: nmann77 / stock.adobe.com)
Erkrankte Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsunfähigkeit (AU) gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse nicht lückenlos nachweisen, riskieren nicht nur ihren Anspruch Krankengeld, sondern ggf. auch ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (gKV). Mit dem Merkmal des lückenlosen Nachweises hat sich das BSG nun aktuell befasst.


In dem Streitfall war die Klägerin –   eine schon länger erkrankte Angestellte – bis einschließlich  den 17.06.2018 arbeitsunfähig geschrieben. Am 18.06.2018 wendete sie sich an ihren Hausarzt, um die bisherige AU zu verlängern. Allerdings wies die Sprechstundenhilfe die Klägerin ab. Die Begründung: Die Praxis wäre überlastet und die Klägerin solle in zwei Tagen wiederkommen.
 
Am 20.06.2018 verlängerte der Arzt die AU der Klägerin dann rückwirkend. Die Krankenkasse akzeptiere diese Bescheinigung allerdings nicht. Sie strich das Krankengeld, weil der Hausarzt die Fortdauer der AU nicht am 18.06.2018, sondern erst am 20.06.2018 festgestellt hatte. Diese Feststellungslücke, so die KK, habe die Pflichtmitgliedschaft in der gKV nicht aufrechterhalten.
 
Gegen den Bescheid der beklagten KK zog die Klägerin erfolgreich vor das SG Augsburg (S 2 KR 346/18). Weil auch die Berufung der KK vor dem Bayerischen LSG (L 5 KR 40/19) ohne Erfolg blieb, wendete sich die KK mit einer Revision an das BSG.

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BSG: Kein Pflichtverstoß der Klägerin

Der 3. Senat des BSG schloss sich der Auffassung der Vorinstanzen an. Demnach war die Revision der Beklagten unbegründet und die Vorinstanzen hatten zutreffend entschieden, dass die Klägerin weiteres Krankengeld bis zum 11.09.2018 beanspruchen konnte. Auch ihre Mitgliedschaft blieb über den 17.06.2018 hinaus erhalten. Die wesentlichen Erwägungsgründe des BSG:
 
  • Risiko der AU-Feststellung grundsätzlich beim Versicherten: Zwar habe der Versicherte im Sinne seiner Obliegenheiten grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass seine AU rechtzeitig – also am ersten Tag der Krankheit – ärztlich festgestellt wird.
  • Aber Ausnahmen möglich: Allerdings habe das BSG enge Ausnahmen anerkannt, bei denen der Versicherte so zu behandeln ist, als habe er die AU rechtzeitig erhalten.
  • Versicherter muss alles Zumutbare unternommen haben: So liegt dem Senat zufolge auch dann ein „rechtzeitig“ persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt zur AU-Feststellung vor, wenn der Versicherte alles Zumutbare unternommen hat, das in seiner persönlichen Macht steht. Dies ist im Rahmen einer wertenden Betrachtung der Risiko- und Verantwortungsbereiche des Versicherten, des Arztes und der KK zu ermitteln, wobei die verfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen sind.
  • Arztbesuch ersten am Tag nach Ablauf der AU ausreichend: Demnach reicht es aus, wenn der Versicherte am ersten Tag nach Ablauf der AU zu üblichen Öffnungszeiten seinen Arzt aufsucht. Verweist ihn das Personal auf einen späteren Tag, liegt dies nicht im Verantwortungsbereich des Patienten, sodass ihn hieran keine Schuld trifft. Jedenfalls darf der Patient ohne Vorliegen besonderer Umstände prinzipiell darauf vertrauen, dass er auch dann eine AU erhält, wenn er seinen Arzt ohne Termin am letzten noch anspruchserhaltenden Tag zu üblichen Öffnungszeiten persönlich aufsucht. 
Quelle: Aus dem Terminbericht des 3. Senats des BSG vom 21.09.2023 im Verfahren B 3 KR 11/22 R


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(ESV/bp)