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Recht der gesetzlichen Unfallversicherung 
04.10.2023

BSG zur Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit bei ehemaligen Rauchern

ESV-Redaktion Recht
Ein Techniker prüft eine Schweißnaht mit einem Spray auf Risse – ein Symbolbild (Foto: Kriangkrai / stock.adobe.com)
Dass Rauchen krebsfördernd sein kann, ist hinreichend belegt. Doch kann einem ehemaligen Raucher, der als Schweißer jahrelang azofarbstoffhaltige Sprays verwendete, die ebenfalls krebserregende Stoffe enthielten, die Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit versagt werden, weil sein langjähriger Nikotinkonsum das Erkrankungsrisiko verdoppelt haben soll. Mit dieser Frage hat sich das BSG aktuell befasst.


In dem Streitfall arbeitete der 1956 geborene Kläger von 1998 bis 2013 unter anderem als Schweißer in der Herstellung von Großkücheneinrichtungen. Hierbei verwendete er zur Rissprüfung von Schweißnähten sogenannte azofarbstoffhaltige Sprays, die das kanzerogene aromatische Amin o-Toluidin enthielten. Die Sprays sprühte der Kläger zunächst auf die Werkstücke und wischte diese anschließend mit einem Lappen weg.
 
Im Jahr 2014 diagnostizierten Ärzte bei ihm Harnblasenkrebs. Eine Anerkennung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung lehnte die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) jedoch ab. Die Begründung: Der langjährige Nikotinkonsum des Klägers komme als außerberufliche Ursache in Betracht, weil dieser zu einer Verdoppelung des Erkrankungsrisikos geführt hätte.
 

Vorinstanzen uneinig

Die Berufungsinstanz – das LSG Baden-Württemberg (L 9 U 488/17) – hat die Klage dann nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Demnach sprechen ebenso gute Gründe für eine andere Verursachung der Erkrankung des Klägers. Gegen die Entscheidung der Berufungsinstanz wendete sich der Kläger mit einer Revision an das BSG.

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BSG: Nikotinkonsum keine hinreichend wahrscheinliche Ursache für Krebserkrankung

Die Revision hatte Erfolg. Nach Auffassung des 2. Senats des BSG hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung seiner Harnblasenkrebserkrankung als BK Nr. 1301 der Anlage 1 zur BK- VO. Die wesentlichen Überlegungen des Senats:
 
  • Arbeitstechnische Voraussetzungen erfüllt: Nach Auffassung des Senats sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt, weil der Kläger während seiner versicherten Tätigkeit arbeitstäglich dem krebserregenden aromatischen Amin o-Toluidin ausgesetzt war -  und zwar sowohl inhalativ als auch dermal.
  • Kein Erreichen einer Mindestbelastungsdosis notwendig:  Das Erreichen einer Belastungsdosis von 500 µg o-Toluidin/m³, die dem ehemaligen Wert der Technischen Richtkonzentration (TRK-Wert) entspricht, ist nicht erforderlich, weil die BK-Nr. 1301 keinen Mindestexpositionswert enthält, so der Senat hierzu.
  • Kausalzsammenhang gegeben: Aromatische Amine sind aufgrund der BK-1301 abstrakt-generell geeignet, Harnblasenkrebs zu verursachen. Die konkret-individuelle Kausalität leitet der Senat aus dem Ausschlussverfahren her. Dieses hatte die Vorinstanz zur Eingrenzung möglicher Krankheitsursachen dem Senat zufolge revisionsrechtlich beanstandungsfrei herangezogen. 
  • Nikotinkonsum keine hinreichend wahrscheinliche Ursache: Die Vorinstanz hatte sehr wohl bindend festgestellt, dass der langjährige Nikotinkonsum des Klägers keine hinreichend wahrscheinliche Ursache der Krebserkrankung ist. Soweit das Berufungsgericht dennoch „gute Gründe für eine andere Verursachung für die berufliche Einwirkung des Stoffes“ sah, hat sie methodisch und rechtlich unzulässig unbekannte Faktoren berücksichtigt, so der Senat abschließend.
Quelle: Terminbericht des 2. Senats des BSG vom 27.09.2023 zum Verfahren B 2 U 8/21 R


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(ESV/bp)