Ist eine Coronahilfe für Selbstständige und Unternehmen auch dann als sozialversicherungsrechtliches Einkommen im Bezugsjahr anzusehen, wenn die Hilfe wegen fehlender Anspruchsvorrausetzungen später zurückgezahlt wird? Hierzu hat sich das LSG Baden-Württemberg in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss geäußert.
In dem Streitfall erhielt der hauptberuflich selbstständige Kläger im April 2020 einen Zuschuss von 4.500 EUR aus dem Programm „Soforthilfe Corona“. Für das Geschäftsjahr 2020 setzte das zuständige Finanzamt die Hilfe im Einkommensteuerbescheid als Teil seiner Einkünfte aus Gewerbebetrieb an.
Auch die Kranken- und Pflegeversicherung des freiwillig krankenversicherten Klägers wertete den Zuschuss in der Beitragsberechnung für das Jahr 2020 als Einkommen.
Kläger: Zuschuss ist wie Darlehen zu behandeln
Nachdem sich herausstellte, dass die Bewilligungsvoraussetzungen für die Hilfe nicht vorlagen, zahlte der Kläger diese im Jahr 2023 zurück. Anschließend klagte er vor dem SG Freiburg gegen den Beitragsbescheid seiner Versicherung. Seine Begründung: Der Zuschuss sei als Darlehen anzusehen und könne deshalb keine Beitragspflicht auslösen. Seine Klage hatte in der ersten Instanz aber keinen Erfolg, sodass der Kläger mit einer Berufung vor das LSG Baden-Württemberg zog.
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LSG Baden-Württemberg: Coronahilfe ist vom Gunde her ein nicht zurückzuzahlender „verlorener Zuschuss“
Der 4. Senat des LSG Baden Württemberg bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Demnach ist der Zuschuss des Klägers, der im Einkommensteuerbescheid 2020 ausgewiesen ist, als sozialrechtliches Arbeitseinkommen beitragspflichtig. Die weiteren Erwägungen des Senats:
- Kein Darlehen: Nach Auffassung des Senats liegt kein Darlehen vor, sondern ein Zuschuss, der vom Grundgedanken her nicht zurückzuzahlen ist. Die ggf. entstehende Rückzahlungsverpflichtung soll nur eine „Überkompensation“ im Einzelfall vermeiden, so der Senat weiter. Demnach liegt ein im Prinzip nicht zurückzuzahlender „verlorener Zuschuss“ vor, was dem Senat zufolge gerade nicht als Darlehen anzusehen ist.
- Spätere Anpassung der Beiträge möglich: Zudem könne der Kläger den Zuschuss in dem Jahr, in dem er diesen zurückzahlt, steuerlich einkommensmindernd geltend machen. Diese Minderung führt im Ergebnis dann auch zu einer geringeren Bemessungsgrundlage für seine Beiträge.
Quelle:
Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 19.06.024 – L 4 KR 82/24
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(1) Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. § 240 Absatz 4a SGB V – Beitragspflichtige Einnahmen freiwilliger Mitglieder (AuszuG) (4a) 1 Die nach dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge werden auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides vorläufig festgesetzt [….]. 3 Die [… ] vorläufig festgesetzten Beiträge werden auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt. […].
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