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Neues aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs 
30.08.2024

Überlassung gefährlicher Abfälle zur Entsorgung kein tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe

ESV-Redaktion Steuern
Führt die geordnete Entsorgung von Gefahrstoffen zu umsatzsteuerlichen Lieferungen? (Photo: starush / Adobe Stock)
Übernimmt ein Unternehmer gefährlichen Abfall zum ausschließlichen Zweck der gesetzlich angeordneten Entsorgung nach einem geregelten Verwertungsverfahren zur Rückgewinnung/Regenerierung von Abfällen, liegt lediglich eine vom Unternehmer erbrachte Entsorgungsdienstleistung vor. Fraglich ist aber, ob hierin nicht ein tauschähnlicher Umsatz gesehen werden könnte, denn immerhin berücksichtigt der Unternehmer, dass er die Stoffe wieder verwerten kann, als Preisnachlass. Mit dieser Frage beschäftigt sich der BFH in einem aktuellen Urteil.


Weiterverwertung verunreinigter Abfälle

Klägerin war eine GmbH, die als Entsorgungsfachbetrieb zertifiziert war. Ihre Kunden setzten in den jeweiligen Betrieben Chemikalien ein, die nach dem betrieblichen Einsatz gefährliche Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes darstellten und deren ordnungsgemäße Entsorgung nachzuweisen war. Die Klägerin nahm den Kunden die verunreinigten Chemikalien zum Zwecke der Entsorgung nach dem in Anlage 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes aufgeführten Verwertungsverfahren ab. Hierzu verpflichtete sie sich gegenüber den Kunden und gab dies auch im Rahmen des Entsorgungsnachweises an.

Die verunreinigten Chemikalien wurden zunächst in speziellen Lagern getrennt gesammelt und dann der Aufbereitung im Rahmen eines chemischen Prozesses zugeführt. Verunreinigungen aus den Chemikalien wurden entsorgt, die gereinigten Chemikalien veräußerte die Klägerin als „Regenerat“, falls sie in marktgängiger Qualität aufbereitet werden konnten und veräußerbar waren. Anderenfalls wurden diese auf eigene Kosten thermisch entsorgt.

Den Preis für die Entsorgung der gefährlichen Abfälle bestimmte die Klägerin anhand des Grades der Verunreinigung und nach der Verwendungsart im Betrieb des Kunden. Nach Auffassung des Finanzamt war die Entsorgung der verunreinigten Chemikalien ein tauschähnlicher Umsatz. Die Klägerin erhalte für ihre Entsorgungsleistung neben dem vereinbarten Entsorgungspreis als Gegenleistung eine Lieferung. Liefergegenstand seien die verunreinigten Chemikalien, die die Klägerin von ihren Kunden erhalte. Daher erhöhe der Wert der verunreinigten Chemikalien die Bemessungsgrundlage für die von der Klägerin erbrachten Entsorgungsleistung.

Der hiergegen gerichtete Einspruch war erfolglos, ebenso die Klage.


BFH verneint tauschähnlichen Umsatz

Der BFH ist der Auffassung, dass, wenn ein Unternehmer gefährlichen Abfall zum ausschließlichen Zweck der gesetzlich angeordneten Entsorgung nach einem in Anlage 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes genannten Verwertungsverfahren zur Rückgewinnung/Regenerierung von Abfällen entgegennimmt, hierin lediglich eine vom Unternehmer erbrachte Entsorgungsdienstleistung zu sehen ist. Die Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes kommt entgegen dem Urteil des FG mangels Lieferung des gefährlichen Abfalls an den Unternehmer nicht in Betracht.

Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Unternehmer einen möglichen Verkaufspreis von Stoffen, die er durch die spätere Verwertung des gefährlichen Abfalls gewinnen und wieder verkaufen kann, kalkulatorisch als Preisnachlass zugunsten der Kunden berücksichtigt.

Entgeltliche Leistungen sind steuerbar und können auch in Form eines Tauschs oder tauschähnlichen Umsatzes vorliegen. Hierfür muss zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet. Besteht das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung, ist ein tauschähnlicher Umsatz gegeben (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG).

Es handelt sich dann um einen Tausch oder einen tauschähnlichen Umsatz, wenn sich zwei entgeltliche Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüberstehen, die lediglich durch die Modalität der Entgeltvereinbarung miteinander verknüpft sind. Auf dieser Grundlage handelt es sich nach § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG auch dann um einen tauschähnlichen Umsatz, wenn dieser als tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe mit einer Barzahlung verbunden ist.

Allerdings stellt der BFH auch fest, dass das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass die verunreinigten Chemikalien allein deshalb geliefert worden seien, weil sie werthaltige Abfälle darstellten und ihr Wert nach dem Inhalt der Vereinbarungen zwischen den Beteiligten die Höhe des Entgelts der Entsorgung bestimmt hätte. Vielmehr kam der Übergabe der gefährlichen Abfälle an die Klägerin zur Entsorgung keine eigenständige Bedeutung zu. Eine Lieferung sollte mit der Übergabe der gefährlichen Abfälle nach dem zwischen der Klägerin und ihren Kunden zugrunde liegenden Rechtsverhältnis gerade nicht erfolgen. Denn die Übergabe der verunreinigten Chemikalien erfolgte bzw. musste erfolgen nur zum Zweck der Entsorgung nach dem Verwertungsverfahren. Die Kunden konnten die gefährlichen Abfälle in ihrem Betrieb nicht mehr nutzen und waren deshalb als Erzeuger und Besitzer der Abfälle verpflichtet, sich ihrer zu entledigen sowie sie ordnungsgemäß zu verwerten.

Die Klägerin als zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb schuldete somit einen Leistungserfolg im Sinne eines Werkvertrages und erhielt die gefährlichen Abfälle gerade nicht zur freien Verfügung. Denn solange die Entsorgung nicht ordnungsgemäß durchgeführt war, blieben die Kunden zur ordnungsgemäßen Entsorgung der gefährlichen Abfälle verpflichtet. Ausschließlich von dieser Verpflichtung wollten sich die Kunden befreien und ausschließlich zur Erreichung dieses Zweckes übergaben sie die gefährlichen Abfälle der Klägerin. Daran änderte auch die von der Klägerin vor der Aufbereitung vorgenommene Vermischung mit gefährlichen Abfällen gleicher Art nichts.

Die Annahme des FG, die Klägerin habe den verunreinigten Chemikalien einen „gewissen Wert“ beigemessen, weil sie daraus nach einer Bearbeitung verkaufsfähige, gereinigte Chemikalien hergestellt und die verunreinigten Chemikalienreste als Rohstoff für die weitere Verarbeitung benötigt habe, rechtfertigt es nach Ansicht des BFH nicht, eine Lieferung der gefährlichen Abfälle anzunehmen.
 
Fundstelle: Urteil vom 18. April 2024 - V R 7/22, veröffentlicht am 29. August 2024


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(ESV/cmx)