Der Brief vom „Amt“ sieht oft aus wie ein unüberwindbarer Berg aus Fremdwörtern, Bandwurmsätzen und Belehrungen. Klagen über den „Kanzleistil“ gibt es schon sehr lange – und doch hat sich bis heute kaum etwas geändert, meint Michaela Blaha von der IDEMA Gesellschaft für verständliche Sprache. In ihrem Aufsatz in der aktuellen Fachzeitschrift WzS zeigt sie eindringlich, wie unverständliche Verwaltungssprache nicht nur für Frust sorgt, sondern auch Vertrauen zerstört.
Das Phänomen ist nicht neu, stellt Michaela Blaha eingangs fest. Dies zeigen unter anderem historische Sprachleitfäden mit Titeln wie „Über den Kanzleystyl und wie derselbe zu verbessern“ aus dem Jahr 1781 von Johann Nepomuk Lengenfelder.
Aber auch neuere Leitfäden machen es kaum besser, so die Autorin weiter. Dies belegt sie mit dem Sprachleitfaden der Bundesagentur für Arbeit von 2013. Demnach sind die kritisierten Merkmale von damals weitgehend gleich geblieben. Hierzu zählen:
- Überlange Sätze wie: „Im Hinblick auf die im Rahmen der Antragstellung gemäß § 60 SGB bestehenden Mitwirkungspflichten wird darauf hingewiesen, dass die vollständige und wahrheitsgemäße Angabe der für die Leistungsgewährung erheblichen Tatsachen Voraussetzung für die abschließende Entscheidung über Ihren Leistungsanspruch ist“,
- die unnötige Bildung von Substantiven,
- Passivsätze oder belehrende Ausdrucksweisen
- und schließlich ein oft unpersönlicher Stil im Befehlston.
Michaela Blaha illustriert die genannten Merkmale in ihrem WzS-Beitrag mit weiteren plastischen Beispielen.
Es geht auch anders
Dabei sind ihr zufolge viele sprachliche und strukturelle Auffälligkeiten leicht zu beheben. Insoweit empfiehlt sie unter anderem die Vermeidung von Bandwurmgebilden und Verschachtelungen durch Bildung von mehreren Sätzen. Ihr zufolge zeichnet sich ein guter Stil auch durch aktive Formulierungen aus.
Im Weiteren erläutert Michaela Blaha, warum Reformversuche bisher gescheitert sind. Zudem geht sie der Frage nach, welche Mythen die Behörden von klarer Sprache abhalten.
Vereinfachung kein Selbstzweck
Doch die Autorin will mehr als nur missglückte Formulierungen aufzeigen. Auch veraltete Rechtsgrundlagen oder unklare Gliederungen verwandeln viele amtliche Bescheide in Stolperfallen, erklärt sie. Zudem fragt sie, wie Verständlichkeit erreicht werden kann, ohne dabei die Rechtssicherheit aufs Spiel zu setzen.
Anschließend erläutert sie, warum die Folgen so weitreichend sind – nicht nur für den Bürger, sondern auch für die Verwaltung.
Die Autorin |
Michaela Blaha arbeitet für die IDEMA Gesellschaft für verständliche Sprache mbH, ein An-Institut der Ruhr-Universität Bochum
|
Vertrauen in den Sozialstaat
Eine einfache Sprache entspricht nach Auffassung der Autorin nicht nur dem Transparenzgebot. Vielmehr ist sie eine Voraussetzung für rechtsstaatliches Handeln, eine wirksame Teilhabe und für Vertrauen in den Sozialstaat.
Ihr Fazit: Nur eine sprachlich verständliche und zugängliche Verwaltung kann auch den digitalen Wandel erfolgreich gestalten und eine effiziente Bürger-Verwaltungs-Kommunikation auf Augenhöhe gewährleisten.
Gebot des Rechtsstaats
Michaela Blaha legt den Finger tief in die Wunde eines Verwaltungsalltags, den Millionen Menschen erleben – und stellt anschaulich dar, warum verständliche Sprache im Sozialrecht keine Kür, sondern ein Gebot des Rechtsstaats ist.
 |
Redaktion: Holger Menk, Kristina Hornung, Dr. Linda Nehring-Köhler
Flexibel mit der digitalen WzS Wege zur Sozialversicherung. Egal ob im Büro, im Homeoffice oder mobil: Setzen Sie auf die Vorzüge einer zeitlich früher erscheinenden digitalen Ausgabe, inklusive Zugang zum umfangreichen Archiv. Ihr Navigator in der Sozialverwaltung: 2025 präsentiert sich die WzS in neuem Layout und inhaltlicher Neuausrichtung: Wege zum Sozialrecht richtet sich als Fachzeitschrift für die Sozialrechtspraxis noch näher am Berufsleben aus und wird deutlich aktueller. Praktiker erwartet eine bunte Themenvielfalt, von aktuellen News, Interviews, Insiderberichten, Beiträgen zu rechtlichen Themen und HR-Themen bis hin zu Themen der Aus- und Weiterbildung an Hochschulen und Instituten. Testen Sie WzS doch einmal kostenlos und unverbindlich – auch als Zeitschrift erhältlich.
Bitte beachten Sie: eJournals werden für Sie persönlich lizenziert. Sprechen Sie uns zu Mehrfachlizenzen für eJournals gerne an – Telefon (030) 25 00 85-295/ -296 oder KeyAccountDigital@ESVmedien.de.
|
Verlagsprogramm |
Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht
|
Der kostenlose Newsletter Recht – Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung! |
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps
|
(ESV/bp)