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Vertragsarztsitz 
17.08.2016

BSG: Verlegung des Praxissitzes von Psychotherapeuten

ESV-Redaktion Recht
Ausgeglichene Versorgung soll lange Warteschlangen verhindern (Foto: Picture-Factory/Fotolia.com)
Wollen Ärzte oder Psychotherapeuten ihren Praxissitz verlegen, müssen sie die vertragsärztliche Versorgung beachten. Mit der Frage, wann ein Wechsel in einen wesentlich besser versorgten Teil des selben Planungsbereichs möglich ist, hat sich vor kurzem das Bundesozialgericht (BSG) beschäftigt.


In ihrer Entscheidung kamen die Richter aus Kassel zu dem Ergebnis, dass ein Wechsel in den selben Teil eines Planungsbereichs, der besser versorgt ist, grundsätzlich nicht genehmigt werden darf. Allerdings muss jeder Fall anhand der konkreten Einzelumstände entschieden werden: Eine  Psychotherapeutin hatte zum 01.04.2013 eine Praxis in Berlin-Neukölln übernommen. Ein halbes Jahr später wollte sie den Praxissitz an ihre Wohnadresse in den Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg verlegen. Beide Bezirke liegen im selben Planungsbereich Gesamt-Berlin.

Zulassungsschuss lehnt Verlegungsantrag ab

Der Zulassungsausschuss lehnte den Verlegungsantrag ab. Der Ausschuss meinte, dass eine ungleichmäßige Versorgung vorliege. Dies würde durch die Sitzverlegung weiter verschärft. Der allgemeine psychotherapeutische Versorgungsgrad lag in Berlin-Neukölln bei 87,7 Prozent. Demgegenüber bestand in Berlin-Tempelhof-Schöneberg mit 344 Prozent eine sehr hohe Überversorgung.

Berufungsausschuss genehmigt Sitzverlegung

Die Psychotherapeutin hatte mit ihrem Widerspruch Erfolg. Der Berufungsausschuss gab dem Antrag auf Sitzverlegung statt. Dabei berief sich das Gremium auf eine Internetrecherche zur Versorgung mit Psychotherapeuten an den beiden Praxisstandorten. Zudem hätten die Standorte nur etwa fünf Kilometer voneinander entfernt gelegen. Patienten aus Neukölln könnten die Praxis in Tempelhof-Schöneberg mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichen, so der Ausschuss weiter.

Sozialgericht Berlin: Geringe Entfernung zwischen beiden Praxisstandorten ist entscheidend

Hiergegen erhob die Kassenärztliche Vereinigung ohne Erfolg Klage zum Sozialgericht Berlin. Die Berliner Richter meinten, dass die Sitzverlegung zu Recht genehmigt worden wäre. Dabei sah das Gericht vor allem die geringe Entfernung zwischen den beiden Praxisstandorten und die guten Verkehrsverbindungen als entscheidend an.

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Bundesozialgericht: Extrem unterschiedliche Versorgung steht Verlegung entgegen

Die Sprungrevision der Kassenärztlichen Vereinigung zum BSG hatte Erfolg. Die obersten Sozialrichter haben das Urteil des SG Berlin aufgehoben. Der beklagte Berufungsausschuss muss nun einen neuen Bescheid erlassen.

Nach Auffassung des BSG hat ein Arzt oder ein Psychotherapeut nur dann einen Anspruch auf Sitzverlegung innerhalb eines Planungsbereichs, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dies zulassen. Dies ergebe sich aus § 24 Absatz 7 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte.

Im Wortlaut: § 24 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte
(1) Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz).
(2) Der Vertragsarzt muss am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten.
(.)  …
(7) Der Zulassungsausschuss darf den Antrag eines Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes nur genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen ..

Zwar könnten die Gerichte solche Gründe nur eingeschränkt kontrollieren. Der Berufungsausschuss habe aber seinen Beurteilungsspielraum überschritten, so das BSG weiter. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle verhindert werden, dass sich die Versorgung in Teilen von eigentlich gut versorgten Planungsbereichen durch Praxissitzverlegungen verschlechtert.

Große Unterschiede in der Versorgung

Angesichts der extrem unterschiedlichen Versorgung zwischen Neukölln und Tempelhof-Schöneberg würden einer Verlegung des Praxissitzes vom schlechter zum besser versorgten Bezirk in aller Regel Versorgungsgesichtspunkte entgegenstehen. Allerdings, so die Richter weiter, könne nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass die Versorgungslage in den ganz konkreten Praxisstandorten anders ist, als das den allgemeinen Versorgungsgraden der Bezirke zu entnehmen ist. Dies muss der Berufungsausschuss nun näher ermitteln.

Quelle: Medieninformation Nr. 16/16 zum Urteil des BSG vom 03.08.2016 - Az.: B 6 KA 31/15 R           

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Weiterführende Literatur
  • Das Standardwerk Kassenarztrecht, von Liebold/Zalewski, verschafft Ihnen den Überblick über das komplexe Gebiet der vertragsärztlichen und vertragspsychotherapeutischen Versorgung – stets unter Berücksichtigung regionaler Regelungen der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen und aktueller Rechtsprechung. Das Werk besticht durch die Kombination aus Kommentierung und Wiedergabe der einschlägigen sonstigen Regelungen.

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(ESV/bp)