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Streit um Spenderniere 
29.08.2016

BVerfG: Rechtsweg im Streit um Organspenden

ESV-Redaktion Recht
Wer „transplantabel” ist, entscheiden letzlich doch die Gerichte (Foto: Kzenon/Fotolia.com)
Wer lebensbedrohlich erkrankt ist, kann von der Entscheidung eines Transplantationszentrums abhängig sein. Aber wie wehren Patienten sich gegen Entscheidungen des Zentrums? Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat vor kurzem eine Richtschnur hierfür gegeben.


Die Beschwerdeführerin befand sich auf der Warteliste eines Transplantationszentrums. Sie benötigte eine Spenderniere. Wegen Meinungsverschiedenheiten meinte der chirurgische Leiter des Zentrums später, dass eine vertrauensvolle Behandlung der Beschwerdeführerin nicht mehr möglich sei.

Zentrumsleiter: Beschwerdeführerin „nicht transplantabel”

Der Leiter des Zentrums meldete die Beschwerdeführerin daher als „nicht transplantabel”. Daraufhin klagte die Patientin auf Feststellung, dass diese  Meldung rechtswidrig gewesen sei. Nachdem sie bei einem anderen Transplantationszentrum eine neue Niere erhalten hatte, wies das Verwaltungsgericht die Klage allerdings ab. Das Gericht meinte, dass nach Erhalt einer neuen Niere das Rechtsschutzinteresse fehlt. Deshalb sei die Klage unzulässig. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg.

Die Beschwerdeführerin meinte, dass sie durch die Ablehnung des Rechtsschutzinteresses in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Absatz 4 Satz 1 GG verletzt sei und legte Verfassungsbeschwerde ein.

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Verfassungsbeschwerde unzulässig

Die Richter aus Karlsruhe nahmen die Beschwerde zwar nicht zur Entscheidung an. Dennoch lieferten sie Anhaltspunkte dafür, wie das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen gewahrt bleibt.

Nach Auffassung der Verfassungshüter enthält Art. 19 Absatz 4 Satz 1 GG zwar das Grundrecht auf wirksamen richterlichen Rechtsschutz durch die öffentliche Gewalt. Allerdings ist danach der effektive Rechtsschutz noch gewahrt, wenn die Fachgerichte ein Rechtsschutzinteresse nur so lange annehmen, wie ein gerichtliches Verfahren die entsprechende Beschwer beseitigen kann. Keine Bedenken hat das BVerfG, wenn die Fachgerichte meinen, dass nach Beseitigung des Grundrechtseingriffs kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse mehr besteht.

BVerfG: Effektiver Rechtsschutz dennoch möglich

Die Beschwerdeführerin hätte sehr wohl gegen die angegriffene Maßnahme einen wirksamen Rechtsschutz erlangen können. In dem vorliegenden Fall wäre eine Klageerhebung gegen die Meldung als „nicht transplantabel” möglich gewesen. Im Falle der Eilbedürftigkeit hätte die Beschwerdeführerin einstweiligen Rechtsschutzes erlangen können.

Danach verpflichtet der in Art. 19 Absatz 4 Satz 1 GG verankerte Anspruch die Gerichte, bei ihrer Entscheidung die Folgen zu berücksichtigen, die aus der Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes entstehen würden.

Im Wortlaut: Art. 19 Absatz 4 GG
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
Im Wortlaut: Art. 17 a Absatz 2 GVG
(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

Bei der Zuteilung von Organen kann sich die staatliche Pflicht ergeben, die Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit zu schützen. Liegt eine lebensbedrohliche Situation vor, so ist dem Betroffenen einstweiliger Rechtsschutz auch dann zu gewähren, wenn hierdurch die Hauptsache vorweggenommen wird.

Klärung des Rechtsweges auch im Eilverfahren

Die Beschwerdeführerin hatte allerdings argumentiert, dass es völlig unklar wäre, welches Gericht hierfür zuständig ist. Jedenfalls sei die Rechtslage nicht abschließend geklärt. Hierzu äußerten sich Verfassungshüter wie folgt: Es widerspreche dem Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes, wenn man diese Schwierigkeiten auf dem Rücken des Rechtsuchenden austrägt. Dies habe das BVerfG bereits entschieden.

Danach kann der Rechtsweg auch durch eine bindende Verweisung an das zuständige Gericht geklärt werden. Dies ergibt sich aus § 17a GVG. Diese Norm verpflichtet die Fachgerichte dazu, in dringenden Fällen innerhalb kürzester Zeit Eilrechtsschutz zu gewähren. Nach Meinung des BVerfG gilt dies auch bei einer unklareren Rechtsweglage.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 55/2016 vom 12. August 2016 - Beschluss vom 06. Juli 2016 - AZ: 1 BvR 1705/15

Weiterführende Literatur
Der Berliner Kommentar TPG Transplantationsgesetz, herausgegeben von Prof. Dr. Wolfram Höfling, M.A., Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität Köln, greift die aktuellen Entwicklungen auf diesem Rechtsgebiet auf. Das Werk liegt bereits in der zweiten Auflage vor und bietet eine zuverlässige und umfassende Unterstützung bei der Bearbeitung dieser komplexen und brisanten Thematik.

(ESV/bp)