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Mechatronsiche Beinprothese und Erwerbsminderung 
19.01.2017

BSG: Keine Herabsetzung einer Verletztenrente wegen computergesteuerter Beinprothese

ESV-Redaktion Recht
Mechatronische Beinprothese steigert nicht die Erwerbsfähigkeit (Foto: Prazis/Fotolia.com)
Mikroprozessorgesteuerte Beinpropthesen setzen seit einiger Zeit neue Standards in der Versorgung von Menschen mit Oberschenkelamputationen. Rechtfertigt dies, Unfallverletzten deshalb ihre Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu kürzen? Hierzu hat sich kürzlich das Bundessozialgericht (BSG) geäußert.

Der Kläger hatte als Schüler im Jahre 1998 einen Unfall. Daher musste sein linkes Bein im Bereich des Oberschenkels amputiert werden. Vom Unfallversicherungsträger erhielt er deswegen eine Prothese. Zudem bekam der Kläger eine Verletztenrente wegen einer Erwerbsminderung von zunächst 70 Prozent. Im März 2006 erhielt er dann ein sogenanntes C-LeG, eine mikroprozessorgesteuerte Oberschenkelprothese.

Unfallversicherer: Funktionsverbesserung rechtfertigt Rentenkürzung

Allerdings war der Unfallversicherungsträger der Ansicht, dass damit nur noch eine Verletztenrente von 60 Prozent zu leisten war. Diese Kürzung, so der Versicherer, wäre durch die deutliche Funktionsverbesserung des linken Beines und die hierdurch verbesserten Erwerbsaussichten gerechtfertigt. 

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Klage vor den Instanzgerichten erfolgreich

Vor allem das zuständige Landessozialgericht (LSG) meinte, dass es in der medizinischen Literatur zwar eine Diskussion gebe, nach der die MdE-Tabellenwerte (Minderung der Erwerbsfähigkeit) bei besserer prothetischer Versorgung niedriger anzusetzen sind. Die wohl überwiegende Auffassung der unfallmedizinischen Literatur unterscheide aber nicht zusätzlich nach der Qualität der Prothese. Somit wäre der aktuell geltende Wert der MdE-Tabelle nicht wissenschaftlich unhaltbar und müsse deshalb auch nicht von den Gerichten korrigiert werden.

BSG: C-Leg führt nicht zu Steigerung der Erwerbsfähigkeit

Das BSG schloss sich der Meinung der Vorinstanzen an. Auch die Richter aus Kassel stellten zunächst darauf ab, dass die MdE-Tabellen nicht zwischen den Qualitäten der jeweiligen Oberschenkelprtohesen unterscheiden. 

Die MdE-Tabellenwerte spielen in der Praxis eine wichtige Rolle zur Bestimmung der Rentenhöhe. In der Praxis greifen Sachverständige dabei auf  sogenannte MdE-Tabellen zurück. Einschlägig sind insoweit vor allem die §§ 56 und 73 SGB VII

Minderung der Erwerbsfähigkeit: MdE-Tabellen
  • Die Höhe einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen dauerhafter gesundheitlicher Beeinträchtigungen ergibt sich aus den Berechnungsfaktoren Jahresarbeitsverdienst und Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
  • Die MdE-Tabellen differenzieren aktuell aber nicht nach der Qualität der Prothese.
Im Wortlaut: § 56 SGB VII 
(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
Im Wortlaut: § 73 SGB VII
(3) Bei der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist eine Änderung im Sinne des § 48 Absatz 1 des Zehnten Buches nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 vom Hundert beträgt; bei Renten auf unbestimmte Zeit muss die Veränderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit länger als drei Monate andauern.

Aus eigener Kompetenz, so das BSG weiter, hätte das Gericht nur dann eine Minderung der Erwerbsfähigkeit zugrunde legen können, wenn es davon überzeugt gewesen wäre, dass die medizinischen Erfahrungssätze der MdE-Tabellenwerte wissenschaftlich nicht mehr haltbar sind. Dies, so so das Gericht weiter, könne aber nicht angenommen werden.

Zudem sahen die Richter aus Kassel in der Versorgung mit einer mikroprozessorgesteuerten Oberschenkelprothese aus allgemeinen Erwägungen keine so wesentliche Änderung, die zu einer niedrigeren Rente führt.

Quelle: Medieninformation des BSG Nr. 28/16 zum Urteil vom 20.12.2016 - Az: B 2 U 11/15 R

Weiterführende Literatur
  • Der Schöneberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Rechtliche und medizinische Grundlagen für Gutachter, Sozialverwaltung, Berater und Gerichte, bietet als Standardwerk in Neuauflage den Mitarbeitern der Sozialverwaltung eine verlässliche und allgemein anerkannte Entscheidungshilfe, dem begutachtenden Arzt Hinweise zu den gerichtlichen Anforderungen an wissenschaftliche Gutachten und dem verantwortlichen Juristen ausführliche Informationen über die wesentlichen medizinischen Erfahrungssätze und die möglichen Heilmethoden.
  • Der Handkommentar, Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, gewährt Ihnen schnellen Zugriff auf alle relevanten Gesetzestexte, die praxisnahen Kommentierungen und auf wichtige Entscheidungshilfen. Die gut verständlichen und überzeugenden Erläuterungen orientieren sich maßgeblich an der Rechtsprechung, berücksichtigen aber stets auch die wesentlichen Meinungen der Literatur.

(ESV/bp)