Betreuungsrecht
02.02.2017
BGH: Voraussetzungen eines Einwilligungsvorbehalts
ESV-Redaktion Recht
Ein gerichtlich angeordneter Einwilligungsvorbehalt schränkt Personen, die unter Betreuung stehen, in ihrer Geschäftsfähigkeit ein. Doch in welchem Umfang kann der Betreute trotz des Vorbehalts wirksame Willenserklärungen abgeben? Hierzu hat sich der BGH in einem aktuellen Beschluss geäußert.
Im Ausgangsverfahren hatte das Amtsgericht (AG) Fürstenfeldbruck die Betreuung verlängert und auch den Einwilligungsvorbehalt unverändert gelassen, nachdem es ein Sachverständigengutachten eingeholt hatte.
Auch die Gefahr, dass die Antragstellerin durch den Kauf von Alkohol ihr Vermögen gefährden würde, sah der BGH nicht. Jedenfalls reiche die hierzu getroffene Feststellung des LG, nach der die Antragstellerin gerne Alkohol bestelle, nicht aus, um einen entsprechenden Einwilligungsvorbehalt anzuordnen.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit:
(ESV/bp)
Ordnet ein Gericht mit der Betreuung einen Einwilligungsvorbehalt an, gilt dieser für die Aufgabenkreise, die dem Betreuer zugewiesen wurden. Dennoch kann der Betreute nach § 1903 Absatz 3 Satz 2 BGB in geringfügigen Angelegenheiten des täglichen Lebens wirksam Verträge abschließen. Schränkt das Gericht auch diese Möglichkeit ein, spricht man von einem qualifizierten Einwilligungsvorbehalt.
In dem betreffenden Fall ging die Betroffene unter anderem gegen die Verlängerung ihrer Betreuung mit umfassenden Aufgabenkreisen für den Betreuer und gegen einen Einwilligungsvorbehalt aus dem Jahr 2002 vor. Sie leidet dem sogenannten Korsakowsyndrom. Dessen Ursache kann entweder die Folge eines organischen Schädel-Hirntraumas aufgrund eines Unfalls im Jahr 2000 oder alkoholbedingt sein.
Im Ausgangsverfahren hatte das Amtsgericht (AG) Fürstenfeldbruck die Betreuung verlängert und auch den Einwilligungsvorbehalt unverändert gelassen, nachdem es ein Sachverständigengutachten eingeholt hatte.
Im Wortlaut: § 1903 BGB - Einwilligungsvorbehalt |
1) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Die §§ 108 bis 113, 131 Abs. 2 und § 210 gelten entsprechend. (…) (3) Ist ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, so bedarf der Betreute dennoch nicht der Einwilligung seines Betreuers, wenn die Willenserklärung dem Betreuten lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Soweit das Gericht nichts anderes anordnet, gilt dies auch, wenn die Willenserklärung eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft. (….) |
Landgericht München II: Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts rechtmäßig
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde zum Landgericht München II erreichte die Betreute im Wesentlichen, dass einige Aufgabenkreise entfielen. Allerdings hat das LG den Aufgabenkreis Organisation der ambulanten Versorgung hinzugefügt. Den Einwilligungsvorbehalt erhielt es aufrecht. Zu seiner Entscheidung holte das LG ergänzende Stellungnahmen des Sachverständigen im Ausgangsverfahren ein. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen legte die Betroffene Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) ein.
BGH: Voraussetzungen für Einwilligungsvorbehalt nicht festgestellt
Der XII. Zivilsenat des BGH bestätigte die Entscheidung des LG München in Bezug auf die Anordnung der Betreuung und die Änderung der Aufgabenkreise. Hinsichtlich des Einwilligungsvorbehalts schloss sich der Senat jedoch der Meinung der Vorinstanz nicht an.
Einwilligungsvorbehalt kann erweitert oder beschränkt werden
Der BGH hob zunächst hervor, dass ein Einwilligungsvorbehalt erforderlich sein muss. Dies würde aber auch bedeuten, dass der Vorbehalt je nach den Umständen auf einen einzelnen Vermögengegenstand oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt oder erweitert werden kann, so das Gericht weiter.
Hierzu habe das LG zwar zutreffend ausgeführt, dass der Einwilligungsvorbehalt im Einzelfall auch in geringfügigen Angelegenheiten des täglichen Lebens gerechtfertigt sein kann. Insoweit meint auch der XII. Senat des BGH, dass dies zum Beispiel bei Alkoholikern in Betracht kommt, wenn verhindert werden muss, dass sich der Betroffene wirksam kleinere Mengen alkoholischer Getränke verschafft. Einen solchen qualifizierten Einwilligungsvorbehalt habe das LG aber nicht angeordnet, so die Richter aus Karlsruhe weiter.
Auch die Gefahr, dass die Antragstellerin durch den Kauf von Alkohol ihr Vermögen gefährden würde, sah der BGH nicht. Jedenfalls reiche die hierzu getroffene Feststellung des LG, nach der die Antragstellerin gerne Alkohol bestelle, nicht aus, um einen entsprechenden Einwilligungsvorbehalt anzuordnen.
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Was das Landgericht noch prüfen muss
Mangels Entscheidungsreife wies der BGH die Entscheidung aber an das LG München II zurück. Das LG muss nun erneut über den Einwilligungsvorbehalt entscheiden. Dabei wird es auch auf die Frage ankommen, inwieweit das Korsakowsyndrom der Antragstellerin alkoholbedingt ist. Vor allem für die Anordnung eines qualifizierten Vorbehalts gibt der BGH noch folgende Hinweise:
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit:
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Eignung: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzt nach Meinung des BGH aufgrund des starken Eingriffscharakters voraus, dass der Einwilligungsvorbehalt seinen Zweck auch erreichen kann.
- Einwilligungsvorbehalt erfasst keine tatsächlichen Handlungen: In dem vorliegenden Fall könne die Eignung fraglich sein, weil der Einwilligungsvorbehalt auf rechtsgeschäftliche Willenserklärungen betrifft. Tatsächliche Handlungen, wie die Inbesitznahme der Alkoholika und deren Verbrauch werden hiervon nicht erfasst.
- Tatrichterliche Feststellungen zur Eignung: Bei entsprechenden Anordnungen müsse der Tatrichter also Feststellungen dazu treffen, dass die Maßnahme trotzdem die erhoffte Wirkung haben kann. Gäbe es zum Beispiel Verkaufsstellen, die der Betroffene regelmäßig aufsucht, so müsse sichergestellt werden, dass der Betreuer die Händler über den Einwilligungsvorbehalt informiert und diese dem Betroffenen den Verkauf von Alkohol verweigern.
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Vorrang des milderen Eingriffs: Zudem müsse das LG prüfen, ob derselbe Erfolg nicht mit einem milderen Mittel erreicht werden könnte. Insoweit könne auch die Zuteilung eines entsprechend bemessenen Taschengeldes in Betracht kommen.
Weiterführende Literatur |
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Lesetipp |
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(ESV/bp)