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Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte 
18.10.2018

Arbeit 4.0 und die sozialrechtlichen Auswirkungen

ESV-Redaktion Recht
Ein Vorteil plattformbasierter Erwerbsarbeit: Arbeiten an jedem Ort (Foto: JenkoAtaman/Fotolia.com)
Die Digitalisierung hat erhebliche Auswirkungen auf das Sozialrecht. Daher hat sich auch die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte damit beschäftigt. Michael Fock, Dr. Christine Fuchsloch, Dr. Christian Meck und Ernst Merz berichten hierüber in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb).

Bereits im Jahr 2017 hatte die Konferenz eine Arbeitsgruppe Sozialrecht 4.0 eingesetzt. Diese sollte den Weiterentwicklungs-und Regelungsbedarf bei der Absicherung neuer Beschäftigungsformen und für bestimmte Gruppen von Selbstständigen untersuchen. Der Bericht dieser Arbeitsgruppe war die Grundlage für einen Beschluss der Konferenz von Mai 2018. Dieser Beschluss sprach sich unter anderem dafür aus,
  • dass die Konferenz weiter dazu beizutragen will, Lücken der sozialen Sicherung zu schließen, die sich aus der zunehmenden Digitalisierung ergeben,
  • dass die Arbeitsgruppe Veränderungen der Arbeitswelt aufgrund des sozialen Wandels weiterhin kritisch begleiten soll
  • und der Konferenz bis zu ihren Beratungen 2019 weitere Lösungsvorschläge vorlegt.

Digitalisierung von Erwerbsarbeit und die tatsächlichen Befunde

Nach der Klärung des Begriffs „Arbeit 4.0“ wenden sich die Autoren den einzelnen Erscheinungsformen des Wandels aufgrund der Digitalisierung zu und beschreiben die Begriffe Freelancing, Crowdsourcing, Digitale Selbstvermarktung und Crowdwork. Bei der Bedeutung der letzteren Variante unterscheiden sie wie folgt:
  • Microtask-Plattformen (Vermittlung von Kleinstaufgaben: clickworker, Mylittlejob)
  • Marktplatz-Plattformen (Crowd Guru, content.de)
  • Design-Plattformen (99designs, designerlassen.de)
  • Testing-Plattformen (Applause, Testbirds)
  • Innovationsplattformen (jovoto, unserAller)
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Vor- und Nachteile digitaler Erwerbsarbeit - aus Arbeitgebersicht

Aus Sicht der Unternehmen, so die Verfasser, bietet plattformbasierte digitale Erwerbsarbeit vor allem die Möglichkeit, Arbeit oder Projekte auszulagern. Auch könnten Beschäftigungsverhältnisse vermieden und Arbeitsmittel eingespart werden. Zudem ließe sich durch die gewonnene Flexibiltät umfangreiche und arbeitsintensive Projekte in kurzer Zeit realisieren. Darüber lassen sich den Autoren zufolge durch weltweite „Ausschreibungen“ unter Beteiligung von Beschäftigten aus Entwicklungsländern niedrige Entgelte realisieren.

Vor-und Nachteile aus Sicht der Beschäftigten

Die Vor-und Nachteile für Beschäftigte stellt der folgende Überblick zusammen: 

Vorteile   Nachteile
  • Möglichkeit, an jedem Ort arbeiten zu können über Computer und einen Internet
  • Flexible Arbeitszeiten
  • Keine Vorstellungsgespräche
  • Besserer Zugang zu bezahlter Arbeit für, Beschäftigte, die auf dem regulären Arbeitsmarkt Diskriminierungen ausgesetzt oder schwer vermittelbar sind, da Alter, Bildungsgrad, ethnischer Hintergrund, Vorstrafen, Geschlecht und sexuelle Orientierung grundsätzlich keine Rolle spielen.
 
  • Kein geregeltes Einkommen
  • häufig auch kein angemessenes Einkommen da der Mindestlohn, insbesondere bei
  • den Mikroaufgaben, häufig nicht erreicht wird
  • keinerlei soziale Absicherung aufgrund
  • kein Zugang zu gewerkschaftlicher Vertretung
  • kein Zugang zu betrieblicher Weiterbildung.
Das Autorenteam
  • Michael Fock, Präsident des LSG Sachsen-Anhalt
  • Dr. Christine Fuchsloch, Präsidentin des LSG Schleswig-Holstein
  • Dr. Christian Mecke, Richter am BSG
  • Ernst Merz, Präsident des LSG Rheinland-Pfalz a. D.

„Digitale Tagelöhner“ oder „Digitales  Proletariat“?

Dementsprechend kritisch, so die Verfasser, werden die neuen Arbeitsformen diskutiert. Beispielsweise würden Gewerkschaften Crowdworker als die „neuen Tagelöhner“ bezeichnen.

Vor allem die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di verbreitet in ihrem achtminütigen Animationsfilm „Klaus, der Cloud Worker“ ein wahrhaftiges Schreckensszenario. Danach sind die Menschen im Jahr 2020 fast ausschließlich Cloud Worker. Die Unternehmen heuern ihre Arbeitskräfte bedarfsgerecht über virtuelle Netzwerke an. Festanstellungen gibt es kaum noch und ein Heer von Freelancern kämpft um Aufträge – mit weltweiter Konkurrenz.

Nach einem Bericht der Wochenzeitung  „Die Zeit“, so die Verfasser weiter, sind Cloud Worker „digitale Arbeitsnomaden“, die sich im „Internet von Auftrag zu Auftrag hangeln“. Die ARD benutzte vor einiger Zeit in den Tagesthemen gar den Begriff „digitales  Proletariat“.

Tatsächliche Konsequenzen noch offen 

Die gegenwärtigen, aber auch perspektivischen, sowie die sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen der digitalen Erwerbsarbeit sind nach Meinung der Autoren aber noch nicht exakt einzuschätzen. So bestehe über die Einkommenssituation der Cloud- und Crowdworker ebenso wenig Gewissheit, wie über deren soziale Absicherung. Das effektive Einkommen deutscher Crowdworker schwanke nach Abzug von Abgaben und Gebühren um Durchschnitt zwischen 144 und 663 Euro.

Diskutierte Lösungsansätze

Lesen Sie in dem Beitrag von Fock/Fuchsloch/Meck und Merz in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift SGb, welche Lösungsansätze diskutert werden, wie beispielsweise:
  • das bedingungslose Grundeinkommen
  • die Allgemeine Erwerbstätigenversicherung
  • die Einbeziehung aller Solo-Selbstständigen in die Sozialversicherung
  • das Modell der Künstlersozialversicherung
  • oder die Obligatorische Altersvorsorgepflicht

SGb Die Sozialgerichtsbarkeit

Herausgeber: Prof. Dr. Peter Axer, Prof. Dr. Peter Becker

Die oberste Instanz im Sozialrecht

Mit ihrem starkem Profil ist Die Sozialgerichtsbarkeit SGb richtungweisend. In differenzierten, kritischen Beiträgen prägt die Fachzeitschrift auch in ihrem 65. Jubiläumsjahrgang den Austausch zwischen lösungsorientierter Rechtsanwendung und innovativer sozialrechtlicher Forschung.

Schneller geht es nicht: Vollständiger Überblick zur aktuellsten Rechtsprechung - durch Auswertung der Presse-Vorberichte und- Mitteilungen kennen Sie als Leser der SGb die Entscheidungen des BSG und anderer oberster Bundes- und Instanzgerichte oft schon vor Veröffentlichung. Und das ist noch nicht alles:
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(ESV/bp)