Organmangel: Bonus-System als Lösung?
Aus dem Jahresbericht der Deutschen Stiftung Organspende geht hervor, dass 2017 etwa 10.000 schwerkranke Menschen eine Organtranspantation benötigt hätten. Dem standen aber nur 797 Menschen gegenüber, die ihre Organe nach dem Tod gespendet hatten. Dementsprechend suchen Politik und Gesellschaft nach Auswegen aus dieser Misere.
Aktuelle Rechtslage: Entscheidungslösung
Gegenwärtig, so Joschko, gilt die sogenannte Entscheidungslösung. Diese wird durch das Transplantationsgesetz (TPG) in seinem zweiten Abschnitt wie folgt geregelt:- Einwilligung: Nach § 3 Absatz 1 TPG ist eine Entnahme von Organen – unter Beachtung weiterer Voraussetzungen – dann zulässig, wenn der Spender zu Lebzeiten in diese eingewilligt hat.
- Widerspruch: Korrelierend dazu besagt § 3 Absatz 2 TPG, dass eine Entnahme unzulässig ist, wenn die betreffende Person der Organ- oder Gewebeentnahme widersprochen hat.
- Entscheidung durch nächste Angehörige: Liegen weder eine schriftliche Einwilligung noch ein schriftlicher Widerspruch des möglichen Organspenders vor, ist eine Entnahme auch durch Zustimmung des nächsten Angehörigen möglich.
Zur Person |
Annabel Joschko, Mag. iur., ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn. |
Diskutierte Lösungen
WiderspruchslösungUm Abhilfe zu schaffen, diskutiert die Öffentlichkeit schon seit vielen Jahren die sogenannte Widerspruchslösung. Diese Lösung hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wiederbelebt und möchte sie in Deutschland einführen. Nach dieser Lösung wäre jeder, der nach Aufklärung nicht ausdrücklich widerspricht, ein Organspender.
Bonus-System
Weiteren Zulauf in der Debatte erfährt aber vor allem ein Bonus-System: Nach diesem sollen Personen, die zur Organspende bereit sind, bevorzugt Organe erhalten. Demgegenüber sollen alle nicht zur Spende bereiten Personen nachrangig mit Organen versorgt werden.
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Beide Alternativ-Lösungen verfassungswidrig
Joschko hält beide Lösungen für verfassungsrechtlich nicht haltbar. So sieht sie in der Widerspruchslösung einen unzulässigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht. Betroffen, wäre vor allem das Recht des Einzelnen, sich mit Fragen, die seine körperliche Integrität betreffen, nicht auseinandersetzen zu müssen.Das Bonus-System sieht Joschko noch kritischer. Hier geht es ihr vor allem um den staatlich ausgeübten psychischen Druck, im Ernstfall ein möglicherweise lebensnotwendiges Organ zu spenden, weil ansonsten die Zuweisung eines von ihm benötigten Organs an einen anderen Patienten erfolgen könne, der zur Spende bereit wäre.
Lesen Sie in der WzS Ausgabe 02/2019 warum das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen über seine körperliche Integrität ein kardinales Verfassungsgut darstellt, das Joschko zufolge auch andere Bereiche betrifft, wie zum Beispiel: |
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Wegweisend WzS Wege zur Sozialversicherung Redaktion: Dr. Ursula Schweitzer, Dr. Linda Nehring-Köhler, Bernd Preiß Wege zur Sozialversicherung - WzS berichtet Ihnen sachlich, unabhängig und praxisnah über die Entwicklung in der Sozialversicherung. WzS bietet jeden Monat
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(ESV/bp)