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Bildung- und Teilhabe für Kinder im Sozialrecht 
11.08.2020

BVerfG: Bund muss einige Leistungen der Sozialhilfe neu regeln

ESV-Redaktion Recht
Die Mittagsverpflegung ist ein wichtiger Bestandteil des neu zu regelnden Bildung- und Teilhabepakets. (Foto: Robert Kneschke / stock.adobe.com)
Das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen belastet die Kommunen unzulässigerweise mit Kosten und verstößt teilweise gegen das GG. Dies hat das BVerfG in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss entschieden. Nun muss der Bund zahlreiche Unterstützungsleistungen bis Ende 2021 neu regeln.


Bundestag und Bundesrat hatten im Jahr 2011 ein Teilhabepaket beschlossen, das Kinder aus Familien mit geringem Einkommen besser unterstützen sollte. Inhaltlich hatte der Gesetzgeber damals neue Bedarfe eingeführt – unter anderem für die Mittagsverpflegung, Nachhilfeunterricht, Schülerbeförderung oder Schulausflüge. Einbezogen wurden auch Kinder in Kindertagesstätten und Kinder aus Familien, die zwar Wohngeld, aber sonst keine Sozialleistungen beziehen.

Der Hintergrund
  • In dem damaligen Urteil hatte der Erste Senat des BVerfG beanstandet, dass der Gesetzgeber existenznotwendige Aufwendungen bei den Sozialleistungen vor allem bei Kindern nicht ausreichend berücksichtigt hatte.
  • Die aktuelle Verfassungsbeschwerde der Kommunen richtete sich gegen 34a SGB XII in der Fassung von Artikel 3 Nr. 12 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011.
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Beschwerdeführer: Teilhabepaket aus 2011 verletzt kommunale Selbstverwaltung

Gegen die neue Regelung aus 2011 hatten 10 Städte aus Nordrhein-Westfalen eine Kommunalverfassungsbeschwerde eingelegt und rügten eine Verletzung der kommunalen Selbstverwaltung.

BVerfG: Bund darf Aufgaben der Kommunen nicht substanziell ausweiten

Der Zweite Senat des BVerfG gab der Beschwerde teilweise statt – und zwar insoweit, wie sich die Beschwerde gegen neu eingeführte Leistungen richtet. Die tragenden Erwägungen des Senats:

  • Keine Aufbürdung neuer Lasten: Der Bund darf den Kommunen nicht eigenmächtig neue Aufgaben aufbürden oder bestehende Aufgaben erheblich ausweiten. Dies ergibt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG, der durch das Durchgriffsverbot von Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG näher ausgestaltet wird.
  • Zu Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG: Ein Fall des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG ist dann gegeben, wenn ein Bundesgesetz den Kommunen erstmals eine bestimmte Aufgabe zuweist oder eine Erweiterung einer bundesgesetzlich bereits zugewiesenen Aufgabe vornimmt, die damit funktional äquivalent ist. 
  • Zu hohe Belastungen für Kommunen: Das Teilhabepaket 2011 habe die Aufgaben der kommunalen Sozialhilfe mehr als unerheblich ausgeweitet, so der Senat hierzu. Die daraus resultierenden organisatorischen, personellen und finanziellen Mehrbelastungen hätten die Kommunen nicht hinzunehmen.
  • Zulässige Anpassungen: Anpassungen von Aufgaben an veränderte ökonomische und soziale Umstände, die schon bundesgesetzlich zugewiesen wurden, sind nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG zulässig.
Der Gesetzgeber muss nun zahlreiche Unterstützungsleistungen bis Ende 2021 neu regeln. Bis dahin gelten die bisherigen Bestimmungen weiter. Ansonsten, so der Senat weiter, wären Sozialämter nicht in der Lage, Bildungs- und Teilhabeleistungen zu gewähren. Damit stünde das menschenwürdige Existenzminimum der Kinder und Jugendlichen auf dem Spiel.

Quelle: PM des BVerfG vom 7.8.2020 zum Beschluss vom 7.7.2020 – 2 BvR 696/12

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(ESV/bp)