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Gesetzliche Krankenkassen und Kostenerstattung 
22.09.2020

LSG Niedersachsen-Bremen: E-Roller ist kein Rollstuhlersatz

ESV-Redaktion Recht
LSG Niedersachsen-Bremen: E-Roller fällt als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens nicht in die Leistungspflicht der Krankenkasse (Foto: zinkevych / stock.adobe.com)
Auch wer körperlich eingeschränkt ist, möchte am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Hierbei kann ein Elektromobil ein hilfreicher Begleiter sein. Doch zählt auch ein E-Roller zu den verordnungsfähigen Hilfsmitteln der gesetzlichen Krankenkassen? Hierüber hat das LSG Niedersachsen-Bremen kürzlich entschieden.


In dem Streitfall hatte ein 80-jähriger gehbehinderter Mann aus dem Landkreis Celle mit Schreiben vom 11.6.2019 bei seiner Krankenkasse (KK) eine Beihilfe zur Anschaffung eines klappbaren Elektrorollers mit Sattel beantragt. Laut Eingangsstempel der KK ging dieses am 17.6.2019 dort ein. Dem Antragsteller wurde ein Behinderungsgrad (GdB) von 100 und das Merkzeichen „aG“ zuerkannt. Er litt unter anderem an einer Gangstörung links, einer Sturzneigung links und neuropathischen Schmerzen im Dermatom L5. Im Dezember 2016 hatte er sich einer Herzoperation mit vier Bypässen unterzogen.


Elektro-Rollstuhl anstatt E-Roller?

Mit Bescheid vom 4.7.2020 bot die KK dem Antragsteller anstatt des E-Rollers die Versorgung mit einem Elektro-Rollstuhl einschließlich der Kostenübernahme hierfür an. Hiergegen wendete sich der Antragsteller mit einem Widerspruch. Dabei führte er aus, dass es für ihn wichtig sei, dass das Gerät transportabel ist. Die weiteren Argumente des Antragstellers:

  • Einen E-Roller könne er zusammenklappen und in seinem Pkw transportieren.
  • Auch sei es möglich, den Roller mit in den Urlaub und auch auf Busreisen mitzuzunehmen, im Gegensatz zu einem Elektrorollstuhl.
  • Zudem wäre auch sein Carport für ein solch großes und schweres Hilfsmittel ungeeignet.
Darüber hinaus legte der Antragsteller die ärztliche Verordnung eines Facharztes für Orthopädie sowie eine Rechnung für den E-Roller vom 15.7.2019 – mit Auftragsdatum 4.7.2019 – vor. Diese enthielt einen Rechnungsbetrag von 999,00 Euro für den Roller und einen Ersatz-Akku. Hierfür beantragte er Kostenerstattung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Seine Klage gegen den Widerspruchsbescheid vor dem SG Lüneburg (S 16 KR 257/19) blieb erfolglos. Gegen die Entscheidung der Ausgangsinstanz legte er Berufung vor dem LSG Niedersachsen-Bremen ein.

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Kläger: Anspruch auf Kostenübernahme aus § 13 Abs 3a SGB V

Nach seiner Auffassung hatte die Ausgangsinstanz rechtsfehlerhaft entschieden. Sie habe nicht berücksichtigt, dass zwischen der Antragstellung und dem ablehnenden Schreiben mehr als drei Wochen vergangen wären. Hierbei stellte er auf sein Schreiben vom 11.6.2019 ab und darauf, dass ihm der Ablehungsbescheid seiner KK vom 4.7.2019 erst am 7.7.2019 und damit erst nach 27 Tagen zugegangen sei. Aus diesem Grund wäre die Beklagte nach § 13 Abs 3a SGB V zur Übernahme der Kosten in Höhe von etwa 1.000,- EUR verpflichtet. Damit habe ihm die Beklagte KK eine unaufschiebbare Leistung verwehrt, weil die medizinische Notwendigkeit durch die ärztliche Verordnung gegeben war.  


LSG Niedersachsen-Bremen: E-Roller nicht medizinisch gepägt

Das LSG Niedersachsen-Bremen folgte den Argumenten des Antragstellers nicht: Danach ist ein E-Roller schon kein Hilfsmittel der GKV. Die weiteren tragenden Gründe des Gerichts:

  • E-Roller nicht medizinisch geprägt: Der Roller fällt als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens nicht in die Leistungspflicht der Krankenkasse. Schon in seiner Funktion ist der Roller nicht medizinisch geprägt und kann mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h im Behindertenbereich sogar gefährlich werden. Auch aus dem Namen „Eco-Fun“ schlossen die Richter aus Celle, dass E-Roller ein Freizeitgerät ist.
  • Beschaffungsweg nicht eingehalten: Außerdem hatte der Kläger nach Auffassung des LSG den gesetzlich vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten. So bestellte er den E-Roller einschließlich der Ersatzakkus schon am 4.7.2019. Da ihm der Ablehnungsbescheid vom 4.7.2019 – nach seinem eigenen Vortrag – erst am 7.7.2019 zuging, legte sich der Kläger also noch vor Zugang des Ablehnungsbescheids fest. Dies widerspricht dem Sachleistungsprinzip als Leistungsmaxime, das auch in der GKV grundsätzlich gilt. Der Kläger durfte sich also nicht auf ein bestimmtes Produkt festlegen, um anschließend Kostenerstattung von seiner KK zu verlangen. 
  • Kein Anspruch aus § 13 Absatz 3 Satz 1 1. Alt SGB V:  Die Anwendung dieser Norm scheitert dem LSG zufolge daran, dass die beantragte Leistung nicht unaufschiebbar war.  
  • § 13 Absatz 3a SGB V nicht anwendbar: Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist § 13 Absatz 3a SGB V für Hilfsmittel, die dem Ausgleich der Behinderung dienen sollen, nicht anwendbar, so das LSG weiter. Danach gilt diese Norm nur für Hilfsmittel, die im Rahmen einer Therapie eingesetzt werden und damit Krankenbehandlung als Kernaufgabe der GKV nach dem SGB V erfüllen. Auch den Tatbestand dieser Norm sahen die Richter aus Celle als nicht erfüllt an – denn der Antrag des Klägers ging am 17.6.2019 bei der Beklagten ein und die Entscheidung erfolgte am 4.7.2019. Damit erging diese innerhalb der vorgesehenen Drei-Wochen-Frist. 
Quelle: PM des LSG Niedersachsen-Bremen vom 7.9.2020 zur Entscheidung vom 28.8.2020 – L 16 KR 151/20

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(ESV/bp)