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Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (gKV) 
04.11.2021

LSG Hessen zum Anspruch auf Versorgung mit individueller Finger-Handprothese

ESV-Redaktion Recht
LSG Hessen: Krankenversicherte haben Anspruch auf eine (Teil)-Hand-Prothese, wenn diese das Arbeiten mit der Computertastatur oder der Computermaus verbessert. (Foto: Andrey Popov / stock.adobe.com)
Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung, denen Körperteile fehlen, haben grundsätzlich einen Anspruch auf Versorgung mit einer Prothese. Doch wie weit reicht der Anspruch, wenn die versicherte Person nur noch einen Teil ihrer Hand hat und das Hilfsmittel die Funktionsausfälle nur teilweise ausgleicht? Diese Frage hat LSG Hessen aktuell entschieden.


In dem Streitfall leidet eine 34-Jährige seit ihrer Geburt an einer  Fehlbildung der linken Hand. Ein späterer operativer Eingriff führte dann dazu, dass ihr der Mittelfinger ganz fehlt. Zeige- und Ringfinger sowie der Daumen sind nur zur Hälfte vorhanden. Ihr wurde daher eine individuelle Finger-Handprothese aus Silikon verordnet, die rund 17.600 Euro kostet.
 

Krankenkasse: Finger-Handprothese medizinisch nicht notwendig

Die Versorgung mit dieser Prothese lehnte ihre gesetzliche Krankenversicherung allerdings ab. Nach Auffassung der Krankenkasse (KK) ist diese  medizinisch nicht notwendig. Zudem würde die Prothese keine eingeschränkten oder verloren gegangene Funktionen ausgleichen. Darüber hinaus habe die Prothese keine Gelenke und wäre unbeweglich. Daher solle sie vor allem Teile der linken Hand ästhetisch nachbilden, so die weitere Argumentation der KK. Der Fall landete schließlich vor dem LSG Hessen. 

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LSG Hessen: Prothese ermöglicht deutliche Funktionsverbesserungen

Die Auffassung der KK teilt der 8. Senat des LSG Hessen nicht. Demnach muss die KK ihre Versicherte mit der gewünschten Finger-Handprothese versorgen. Der Senat meint, dass die Prothese sehr wohl die erheblich herabgesetzte Funktionsfähigkeit der linken Hand teilweise ausgleichen kann. Dabei reicht es aus, wenn die Prothese nur Teilverbesserungen ermöglicht, betont der Senat. Zu diesem Ergebnis kamen die Richter aus Darmstadt aufgrund eines Gutachtens. Die tragenden Überlegungen des Senats:
 
  • Verbesserte Greiffunktionen: Die Prothese kann die Greiffunktionen der linken Hand deutlich verbessern. So ermöglicht die Elastizität des Silikons das Greifen größerer Gegenstände, wenn diese nicht allzu schwer sind. Auch auf den Pinzetten-, Zangen-, Dreipunkt- und Schlüsselgriff wirkt sich das Hilfsmittel positiv aus.
  • Arbeiten mit Computer und Telefon: Dies gilt dem Senat zufolge auch für das Arbeiten mit der Computertastatur, der Computermaus, dem Trackball oder berührungsempfindlichen Bildschirmen. Ebenso geht der Senat davon aus, dass das Halten von Handy und Telefon mit der Teilprothese möglich sei, was dazu führt, dass die Versicherte mit ihrer rechten Hand Daten leichter eingeben kann.
  • Kein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot: Mangels anderer gleichwertiger Versorgungsmöglichkeiten sah der Senat auch keinen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsverbot.  
  • Gutachten des Medizinischen Dienstes unbeachtlich: Ein anderslautendes Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ließ der Senat nicht gelten. Demnach hat der MDK sein Ergebnis nur nach Aktenlage und auf der Grundlage von Fotos der betroffenen Hand ermittelt. Dies hielt der Senat nicht für ausreichend.
Quelle: PM des LSG Hessen vom 02.11.2021 zum Urteil vom 23.09.2021 – L 8 KR 477/20


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(ESV/bp)